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Ein Architekt als Medienstratege. Otto Wagner und die Fotografie: Social-Media-Meister der Moderne

Keine Frage, was wäre Wien ohne Wagner. Otto Wagner, der in Wien vom Hocker bis zum großstädtischen Setting so ziemlich alles kreierte und der heute als einer der zentralen Gründungsväter der Architektur der Moderne gilt. Als sich 2018 sein Todestag zum 100. Mal jährte, wurden in Wiens Museen umfassende Wagner-Festspiele zu allerlei Aspekten abgehalten und beachtliche Publikationen ediert. Dass nun, zwei Jahre später, das Photoinstitut Bonartes mit einer Ausstellung eine bemerkenswerte Ergänzung liefert, liegt an einem vor nicht all zu langer Zeit entdeckten Konvolut an Fotografien aus dem Besitz des Architekten.

Fotografie, soweit war auch bisher bekannt, nutzte Wagner der Zeichnung ebenbürtig. Beide diese graphischen Mittel nützen ihm seine Ideen zu visualisieren, den Fokus auf bestimmte Details oder Abschnitte eines großen Ganzen zu richten. In diesem Sinne gilt die zweite Auflage Wagners Grundlagenwerk „Moderne Architektur“ als das erste mit Fotografien bebilderte Buch in der Geschichte der Architekturtheorie. Was durch den neuen Fund zu Tage tritt, ist sein persönlicher Anteil an der fotografischen Dokumentation seiner Bauten. Wagner gibt genaue Anweisungen, wie seine Architekturen abzulichten sind, er entscheidet über Bildausschnitte, legt fest, wie das Ergebnis publiziert werden darf. Aus dem Zusammenhang des nun gefundenen Konvolutes wird zudem deutlich, dass der Meister durchaus auch selbst zur Kamera griff. Das mustergültig moderne Heim gerät hier zur modernen Homestory, in der die weiblichen Familienmitglieder gleichsam als Statisten posieren.

Doch verwendet Wagner, in dessen Büro den Zeichngen gerne durch menschliche Staffage urbanes Leben eingehaucht wurde, Fotografie ebenso als Vorlage für Zeichnungen. Gleich zu Beginn der Ausstellung tritt der Kurator Andreas Nierhaus (Wien Museum) hier wandfüllend den Beweis an. Bei der Fotografie alleine würde man sich wundern, wieso ein Container mit Unrat im Vordergrund den Blick in die Tiefe leitet. Doch veranschaulicht eine überblendete Zeichnung, dass die Aufnahme aus dem Nachlass des Architekten haarklein als Vorlage diente, eine Perspektivansicht für Wagners Ideen zur Bebauung der Wienzeile unmittelbar hinter der Secession zu vermitteln. Auch für seine Plände für das Stadtmuseum am Karlsplatz wusste Wagner die Fotografie, kombiniert mit der gezeichneten Version des Ausstellungshauses, einzusetzen. Die diesbezügliche Aufnahme, die zudem den Titel der begleitenden Publikation ziert ist am oberen Rand beschriftet, der optimale Bildausschnitt mit rotem Stift markiert. „das herzustellende Klischee ist im Ton mit dem vor einigen Tagen gemachten Klischee gleichwertig zu machen“; die roten Linien sind einzuhalten!!“, lauten entsprechend die Anweisungen. Um die Gesamtwirkung des umstrittenen baulichen Eingriffs am Karlsplatz zu prüfen wurde die Silhouette des Museums mit Holzlatten nachgebaut, ein Teil der Fassade als 1:1 Modell errichtet. Sehr zum Leidwesen des Meisters wurde aus dem Projekt dennoch nichts.

Wagners Blicke, so lernen wir in der Ausstellung und aus der reich bebilderten Publikation, sind betont subjektive, sie sollen zum richtigen Betrachten seiner Bauten anleiten, eine Strategie, die sich auch heute noch gut verkaufen lässt. Oder wie es Monika Faber in ihrem Vorwort so treffend zusammenfasst. „100 Jahre später geboren wäre Otto Wagner wohl zu einem der ersten Architekten mit einem kreativ gestalteten Werbeauftritt geworden und als Pionier der Social-Media-Kommunikation in die Geschichte eingegangen.“

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Für all jene, die jetzt von zu Hause aus mit Otto Wagner durch Wien im Allgemeinen und seine Eigenheime im Speziellen spazieren möchten, sei die brillant bebilderte (absolut sofataugliche) Publikation empfohlen:

Andreas Nierhaus, Ein Architekt als Medienstratege. Otto Wagner und die Fotografie (= Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich, Band 19), Salzburg: Fotohof edition, 2020, 180 Seiten mit 178 Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß

--> Bestellung über das Photoinstitut Bonartes

--> Bestellung über den ebay-shop der Fotohof Edition

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Ein Architekt als Medienstratege. Otto Wagner und die Fotografie
22.01 - 30.04.2020

Photoinstitut Bonartes
1010 Wien, Seilerstätte 22
Tel: +43 1 2360293
Email: info@bonartes.org
http://www.bonartes.org/
Öffnungszeiten: Gegen Voranmeldung


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