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Verschiedene Gemeinsamkeiten

„Es geht um Kooperation. Wenn wir gemeinsam eine Ausstellung organisieren, dann können wir auch von einender lernen“, beschreibt Joahnnes Sperling die Motivation für seine Teilnahme an Various Others, einer neuen Initiative von Münchner Galerien. Um den Kunst- und Galerienstandort international besser zu positionieren, haben sich 12 Galerien zusammengeschlossen und zeigen Ausstellungen in Kooperation mit deutschen und internationalen Galerien. Die Galerie Sperling hat dazu Emalin aus London eingeladen. Augustas Serapinas von Emalin und Malte Zenses aus dem Programm von Sperling könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein: Während der aus Litauen stammende Serapinas ein fast komplett verfallenes Gewächshaus aus seiner Heimatstadt Vilnius in die Galerie verpflanzt, zeigt Zenses zwei Gemälde-Paare deren Ebenen aus dünn lasierten Farbschichten aufgebaut und mit zeichnerischen Elementen ergänzt sind. Jeweils eines der Bilder verschwindet zusätzlich hinter einer Milchglasscheibe. So wie Serapinas in seiner Installation unterschiedliche Realitätsebenen einschließt – etwa die Gentrifizierung ganzer Stadtviertel in Vilnius, was wiederum den Verfall des Gewächshauses bedingt hat – thematisiert Zenses das Erkennen von Struktur und Raum, das Hinter-die-Realität-Blicken, das einen Erkenntnisgewinn verspricht.
Die Programme von Conradi aus Hamburg, und Kraupa-Tuskany Zeidler in Berlin kombinieren Jahn und Jahn zum Thema „Computer und Papier“. Ausgehend von den frühen Computerzeichnungen von Albert Oehlen und Laura Owens fragt die Ausstellung nach künstlerischen Praktiken, in denen sich die allumfassende Digitalisierung widerspiegelt. Das geschieht einerseits ironisch wie bei Felix Thiele, der kleine Keramiken in iPhone-Form gestaltet hat, oder in der Überlagerung alter und zeitgenössischer Techniken wie bei der Koreanerin Soyon Jung. Sie verwendet die uralte Drucktechnik der Radierung für ihre apokalyptischen Landschaften, die sie danach in eine Videoanimation transformiert. Aktuellen Zeitbezug schafft die animierte Figur von Horst Seehofer, dessen rigorose Flüchtlingspolitik vor dem Hintergrund der in den Radierungen zu sehenden Zerstörungen nochmals eindrücklich kommentiert wird.

Barbara Gross, seit mehr als 30 Jahren ein Fixpunkt in Münchens Galeriensezene, zeigt zeitgleich mit Hollybush Gardens, London, eine Einzelausstellung der in London und Frankfurt lebenden Künstlerin Andrea Büttner. Bemerkenswert dabei ist eine Serie von Farbradierungen, die Büttner als eine Form der automatischen, abstrakten Malerei bezeichnet. Sie zeichnet die Wischbewegungen auf dem Bildschirm ihres Smartphones auf, überträgt sie auf die großformatigen Papiere und schafft so beinahe spielerisch den Übergang vom Digitalen ins Analoge.
Nir Altmann, der erst 2016 von Tel Aviv nach München gezogen war und seine Galerie in einem ehemaligen Beautysalon nahe des Goetheplatzes eingerichtet hat, kooperiert für Various Others mit Tobias Naehring aus Leipzig. Besonders Eva Grubingers reduzierte Objekte treten dabei einen interessanten Dialog mit den vielschichtigen, großformatigen Papierarbeiten von Johannes Tassilo Walter. Deborah Schamoni, die 2013 ihre Galerie in Oberföhring, unweit der Sammlung Goetz eröffnet hat, kombiniert für Various Others KAYA (Kerstin Brätsch und Debo Eilers) mit Paul Gondry aus dem Programm der MX Gallery in New York. Gondrys Malerei speist sich aus der europäischen Historie und nimmt Anleihen an den Figuren illuminierter Manuskripte. Seinen Figuren, die in einer Endzeitvision ohne Ausweg gefangen zu sein scheinen, setzt er arkadisch anmutende Landschaften entgegen. Ob die fantastischen Gärten Heilung und Aufbruch versprechen bleibt indes offen. Dagegen setzen KAYA zwei Installationen, zu denen Nicholas An Xedro den Soundtrack aus dem Sommerbad Humboldthain in Berlin beigesteuert hat. 2018 hatte das Duo im Rahmen eines Workshops Kinder gebeten, ihre Wünsche auf Plexiglas zu verewigen. Sie zeugen von den Nöten des Alltags („Kein Kopfweh mehr“) genauso, wie von Zukunftshoffnungen („Ein großes Herz“).

Klüser hat sich mit Sperone Westwater zusammengetan und widmet sich unter „Il Mondo Animale“ diversen Variationen zeitgenössischer Tierdarstellungen wie etwa die bekannten Weimaraner die William Wegman im Stil menschlicher Portraits inszeniert. Die eindrücklichste Arbeit liefert hier Julian Rosefeldt, mit seiner Installation „Das Wort ist immer die Avantgarde der Handlung“ (2018), die in Reaktion auf die Politik in Italien der vergangenen Jahre entstanden ist. Vier reiterlose Pferde traben in einem Video durch Rom, auf den Pferdedecken (Schabracken) abgedruckt sind Teile der italienischen Verfassung. In der Galerie wird das Video ergänzt durch eine Rauminszenierung der vier Schabracken.

Dass mit Rüdiger Schöttle eine weitere der alteingesessenen Galerien Münchens dabei ist beweist, dass Kooperation nicht nur für jüngere Galerien Bedeutung hat. Mit der Soloschau des Chinesen Ding Yi aus dem Programm der ShangArt Gallery bietet Schöttle dann auch eine umfangreiche Präsentation des bedeutenden Vertreters der Abstraktion in der chinesischen Kunst, der zuletzt vor mehr als zehn Jahren in einer Einzelschau in einer deutschen Galerie zu sehen war.

Rund um die Ausstellungen in den Galerien, kooperiert Various Others noch mit Institutionen wie der Sammlung Goetz, dem Lenbachhaus, Kunstverein und Haus der Kunst München, die Musikabteilung des Kaufhauses Ludwig Beck war am Eröffnungswochenende Austragungsort einer Performance von Gregor Hildebrandt.
Die Idee des kollektiven Ausstellens bzw. des Einladens einer auswärtigen Galerie in die eigenen Räume ist nicht neu und wird z.B. mit „Condo“ seit 2016 erfolgreich in London, seit 2017 in New York und weiteren Städten weltweit erfolgreich durchgeführt. Mit Various Others bereichern die teilnehmenden Galerien nicht nur den Standtort München sondern eröffnen sich eine Chance, die bayerische Hauptstadt international wieder stärker zu positionieren.

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Weitere Informationen unter -->variousothers.com

Mehr Texte von Werner Remm

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