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Jeffrey Shaw - Encompassing The Colden Calf 1966>2019: Das dritte Auge

"The Golden Calf" von Jeffrey Shaw ist eines der frühen Beispiele von Augmented-Reality-Installationen. 1994 geschaffen, wurde es im selben Jahr auf der Ars Electronica in Linz zum ersten Mal ausgestellt. In der Ausstellung "Jeffrey Shaw. Encompassing the Golden Calf 1966>2019", die gegenwärtig bei lotsremark Projekte in Basel gezeigt wird, steht eine erneuerte und mit heutiger Technologie erweiterte Version dieses Klassikers der Medienkunst im Mittelpunkt einer sehenswerten Schau. Das iPad hat den verkabelten Computermonitor von damals abgelöst und "spielte die Ursprungsversion 1994 mit der Aura des Virtuellen als etwas Neuem und bot einen faszinierenden Ausblick auf die Zukunft, so begegnet uns die aktuelle Version von 2019 als spiegelnde Reflektion unserer selbst in einer vom digitalem Moloch geprägten Welt", wie es Harald Kraemer im begleitenden Leporello beschreibt. Die das goldene Kalb umgebenden Wände sind tapetenartig mit Hunderten von Schwarzweiss-Aufnahmen der Werke des 1944 in Melbourne geborenen Medienpioniers Jeffrey Shaw dicht bestückt. Das Ausstellungs-Display verbindet traditionelle Dokumentation mit dem künstlerischen Konzept von "The Golden Calf", das nun in der Mitte des Raumes neu installiert ist. Wenn man hier durch das iPad blickt, findet man einerseits sein verzerrtes Spiegelbild auf der goldenen Oberfläche des Kalbes wieder, andererseits sieht man neben der mythologischen Tier-Figur nicht mehr einen x-beliebigen Ausstellungsraum, sondern kann Querverbindungen innerhalb des Œuvres von Jeffrey Shaw ziehen. Entstanden ist somit in dem von Janine Stoll und Harald Kraemer geleiteten Ausstellungsraum eine Mini-Retrospektive.

Shaw begann Mitte der 1960er Jahre mit Film, Installation, Performance und war von damals ungewöhnlichen und radikalen Vorstellungen, die eine Beteiligung der Betrachtenden einforderten, fasziniert. Dies einzulösen, begleitete ihn seitdem. Bevor der Künstler Betrachtende auf interaktive und virtuelle Weise ins Kunstwerk einbezog, bot er anfänglich physische und spielerische Zugänge an. "Airground Mattress" von 1970 beispielsweise war eine riesige aufblasbare, einer Matratze gleichenden Fläche, die erklettert werden konnte. Oder der sich durch einen Wassertreter vorwärts bewegende "Waterwalk" von 1969. Sieht man die historischen Fotos von damals, wirkt das Frühwerk überaus aktuell. Ab Mitte der 1970er Jahre verlagert sich dann der künstlerische Schwerpunkt vom Aussenraum in den Innenraum. Nun sind es weniger die begehbaren Installationen, die den Künstler interessieren als vielmehr umfangreiche Multimediashows und seit Mitte der 1980er Jahre dann zunehmend interaktive Installationen. "Legible City", eines seiner medialen Meisterwerke von 1989, mag hier stellvertretend für viele andere stehen. Als Gründungsdirektor des ZKM – Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe prägte Jeffrey Shaw massgeblich die internationale Medienkunstszene mit. Am ZKM entwickelte er auch 1993 mit "EVE", dem Extended Virtual Environment, eine 360 Grad Projektionsfläche, die es ihm erlaubte, komplexe immersive virtuelle Anwendungen zu realisieren. Zusammen mit der Spezialistin für digitale Museologie Sarah Kenderdine startete Shaw in den letzten Jahren - nun als Dean der namhaften School of Creative Media an der City Universität in Hong Kong tätig - umfangreiche Digitalisierungs-Projekte im Umfeld des kulturellen Erbes. So wurden neben der indischen UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte "Place Hampi" (2006) mit "Pure Land 360" die Malereien buddhistischer Höhlentempel im chinesischen Dunhuang digitalisiert. Das Faszinierende dieser Installationen ist, dass nicht nur längst untergegangene Kulturstätten virtuell und interaktiv zu betrachten sind, sondern sich auch mit Momenten der Geschichte und Alltagsgegenwart verbinden. Und im Digitalen damit auch bewahrt werden. Die in Basel gezeigte Ausstellung schafft es durch die gelungene Inszenierung einerseits dem Gesamtwerk Jeffrey Shaws gerecht zu werden und erlaubt es zugleich den Betrachtenden sich im goldenen Kalb widerspiegelnd über die eigene Abhängigkeit in der sie umgebenden Medienvielfalt nachzudenken. 

Mehr Texte von Andrea Domesle

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Jeffrey Shaw - Encompassing The Colden Calf 1966>2019
11.06 - 16.07.2019

lotsremark projekte
4057 Basel, Klybeckstraße 170
Email: info@lotsremark.net
http://www.lotsremark.net/
Öffnungszeiten: Während Art Basel täglich 18:00–20:00, sonst Sa 16-18 h und nach Vereinbarung


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