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Schampus, Trüffel und Gedränge

Die VIP-Lounges der Art Basel. Ein Test

Die VIP-Lounge der Art Basel ist eine Service-Wüste mit unerbittlicher Hackordnung. Bisher zwar einsehbar, aber unerreichbar hinter einer Zugangskontrolle gelegen, konnte das Eintritt zahlende Fußvolk, den schönen und vor allem reichen Statusinhabern beim exklusiven Chillen nur zusehen. Neuerdings lässt sich der Eingang in dieses Paradies der Adabeis zumindest an den Publikumstagen auch kaufen. Schlappe 590 Schweizer Franken kostet die Premium+-Karte für eine Person.

Doch, ach! Auf der anderen Seite des Zaunes ist das Gras überhaupt nicht grüner. Die wenigen Sitzmöglichkeiten sind heißumkämpft, das Restaurant ist dauernd ausgebucht, an der Bar ist die Schlange endlos, und wenn man dann endlich an der Reihe ist, darf man auch nur die gewohnten Basler Mondpreise bezahlen.

Glücklich kann sich daher schätzen, wer unter den Privilegierten noch privilegierter ist und eine der Sponsoren-Lounges benutzen darf, die an die große Lounge angedockt sind. Doch auch hier ist Lounge nicht gleich Lounge. Klar: Wer eine Klientel anspricht, der es zu mühsam ist, im Flieger die Sonnenblende selbst herunterzuschieben, muss sich schon anders präsentieren als ein Unternehmen, das in Einfamilienhäusern hängende Kunst versichert.

Als Hauptsponsor der Messe und führendes Geldinstitut bei der Verwaltung großer Privatvermögen kann die UBS natürlich nicht kleckern. Allein der Empfangsbereich nimmt beinahe soviel Raum ein wie einigen anderen Anbietern insgesamt zur Verfügung steht. Einlass findet jedoch nur, wer eine VIP-Karte der UBS vorweisen kann, auf einer Liste steht oder ein passendes Armband vorweisen kann. Hinter einer Sichtschutzwand plötzlich, Weitläufigkeit, Entspannung, helle Farben, locker verteilte Sitzgruppen, raumteilende Vorhänge. Auf der Fläche, die die Schweizer Bank zur Bespaßung ihrer Kunden im Messezentrum angemietet hat, lässt sich gut und gerne eine der kleineren Satellitenmessen komplett unterbringen. Sogar eine eigene Terrasse gibt es. Drinnen gibt es weiterhin einen großzügigen restaurantartigen Teil sowie eine große Bar. Ständig ist Servicepersonal unterwegs, um Getränkewünsche zu erfüllen oder unterschiedliche, der Tageszeit angepasste Kleinigkeiten anzubieten: Auberginenpüree zwischen frischen Pastascheiben, Rinderfilet mit asiatisch angehauchten frischen Ravioli, Creme Brulée-artige Mangocreme. Alles vom Feinsten, leider bisweilen nur lauwarm, da die Speisen nicht auf Bestellung kommen, sondern zum Auswählen herumgetragen werden, bis sich jemand erbarmt. Sogar Kunst gibt es an den Wänden. Seit dem vorhergehenden Donnerstag hat Federico Herrero seine großflächige Farbfeldmalerei direkt auf einige Wände aufgetragen. In Farbgebung und Atmosphäre wirkt die gesamte Lounge wie eine lebende Raffaello-Werbung.

Das Kontrastprogramm dazu ist die Lounge der Axa XL Art and Lifestyle-Versicherung, früher schlicht Axa Art. Nach vorne offen, wird der vergleichsweise bescheiden dimensionierte Raum hinten von einem wandfüllenden Sam Francis aus der Konzernzentrale begrenzt. Die Möblierung ist einigermaßen spartanisch, aber gemütlich, es ist relativ eng, im Prinzip kann jeder hereinkommen und sich nach den Produkten erkundigen oder versuchen, ein Gratis-Getränk zu erwischen. Zu Essen gibt’s nix. Es wirkt ein bisschen wie die alte Sozialdemokratie: Alle dürfen reinkommen und den Neureichen da draußen beim Prassen zugucken. Irgendwie sympathisch, zum Angeben in diesem Setting allerdings nicht geeignet.

Wien. Ja, richtig gelesen. Wien Tourismus betreibt eine eigene Lounge im VIP-Bereich der Art Basel, schon seit mehreren Jahren. Als gäbe es im Ersten Bezirk noch Lofts zu kaufen, die nicht schon Amerikanern oder Russen gehören.

Ruinart: Absperrband, junge Damen mit Gästelisten-IPad, Champagner, Eva & Adele.

Audemars Piguets Lounge ist zwar ein offenes Karree, die Atmosphäre erinnert jedoch an einen Darkroom. Die Wände sind dunkel, schwarze Säulen geben in ihrer gläsernen Mitte den Blick auf aktuelle und alte Exemplare der Uhrmacherkunst frei. Die Sitzecke ist mit einer der Natur abgelauschten Soundinstallation der norwegischen Künstlerin Jana Winderen bestückt. Am anderen Ende der Fläche demonstrieren Uhrmacher ihr Handwerk und lassen Laien auch einmal mit den winzigen Schräubchen und Werkzeugen hantieren. Getränke und Kleinigkeiten zu Essen werden von den Mitarbeitern individuell angeboten und erst dann gebracht. Besonders vielversprechende Besucher werden mit dem Helikopter zu einem Abstecher an den Firmensitz geflogen.

Außer Konkurrenz läuft Davidoff. Der Zigarrenhersteller ist zum letzten Mal dabei. Seitdem der neue Vorstand beschlossen hat, weder Kunst noch Sponsoring zu brauchen, muss der Vertrag mit der Messe noch abgesessen werden. Je nach Andrang, ist die Lounge mit ihren Gartenmöbeln im Außenbereich frei zugänglich, bei Überfüllung Zugang nur für Träger des entsprechenden Armbands. Für die gibt es Zigarren, freie Getränke bis zum Signature-Longdrink sowie ab und zu neben den salzigen Mandeln auch Brettchen mit Schinken und Parmesan. Allen anderen steht es freilich frei, Zigarren in der Lounge käuflich zu erwerben. Bei schönen Wetter herrscht oft ziemliches Gedränge. Karibik-Feeling mit eidgenössischer Erbsenzählerei – eine eigenwillige Kombi.

And the winner is: Netjets! Obwohl die Lounge nicht allzu groß ist, herrscht hier angenehme Ruhe. Die Einlasspolitik: streng, ausschließlich geladene Gäste, aktuelle und potentielle Kunden. Das heißt, man muss entweder bereits mindestens ein Sechzehntel eines Privatjets besitzen oder glaubwürdig den Eindruck vermitteln, das nicht nur eventuell zu wollen, sondern sich auch leisten zu können. Abgesehen von den mehr oder weniger gleichbleibenden Geschäftsreisen und dem Super Bowl sei die Art Basel übrigens die Zeit der größten Flugbewegungen für das Unternehmen, erzählt eine Netjets-Sprecherin. Da verwundert es dann auch nicht, wenn der dem Vernehmen nach nicht unbedingt kunstaffine Vorstand hier die Portokasse großzügig ausstattet. Ein Konzept verfolgt das Unternehmen daher eher nicht, Hauptsache es schafft ein angenehmes Ambiente für die Besucher und es lässt sich irgendwie ein Bezug zum Fliegen herstellen. Die Ausstattung mit Kunst übernimmt jedes Jahr ein anderer Künstler, aktuell Mathew Day Jackson, der von der Kunst an den Wänden über die Möblierung bis zum Kunstrasen ein stimmiges Ensemble geschaffen hat und seinem Auftraggeber in puncto Ideenreichtum um Einiges voraus ist. Besonders die Formica-Tische könnten sich mit ihrer pfiffigen Konstruktion als echter Renner erweisen. Dafür nimmt man das auf jedem Tisch ausliegende Magazin „Ursula“ aus dem Hause Hauser & Wirth in Kauf. Das Essen lässt kaum Wünsche offen, vom Sushi bis zum Roastbeef mit getrüffeltem Kartoffelpüree, wird alles auf Bestellung frisch gebracht. Die Krönung: eine komplett inklusive Personal aus dem Gambrinus in Neapel eingeflogene Espressobar.

Fazit: Inhaber eines Privatjet-Anteils werden im VIP-Bereich der Art Basel bestens bedient und dürfen sich als Teil eines sehr exklusiven Zirkels fühlen, während deutsche Versicherungskunden eher mit einem Arbeitstreffen rechnen sollten. Alle Refusées könne sich mit einer Messe-Bratwurst für 8 Franken 50 trösten und der Einsicht, dass Status zu den eher flüchtigen irdischen Gütern gehört.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Hedonismus Jacuzzi
V | 25.06.2019 02:06 | antworten
Sehr schöner backstage-Bericht!!

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