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Veränderung ist das neue Zusperren

Stefan Kobel: Nach zehn Jahren in Berlin sind Sie mit Ihrer Galerie jetzt nach Wien gezogen. Warum?

Christian Siekmeier: Seit Gründung 2008 haben sich Berlin, die Kunstszene und die Möglichkeiten innerhalb dieser stark verändert. Auch ich plante pünktlich zum Zehnjährigen mit einer stimmigen Ausstellung die Türen zu schließen. Eine Dekade ist genug in diesem Verdrängungswettbewerb ohne viel common ground und Nachhaltigkeit. Doch wurde ich im Gespräch mit den KünstlerInnen eines Besseren belehrt. Sich zu verändern und weiterzumachen, sei das neue Zusperren. Schließlich fand ich diesen sehr speziellen neuen Ort. Er hat einen besonderen Charakter, eine interessante Geschichte, ist in einer sehr guten Nachbarschaft, bezahlbar und stellt auch eine Rückkehr zu den Wurzeln der Galerie dar. Diese hat 2008 in einer Garage in der Alexandrinenstraße in Berlin eröffnet.

Kleinere und junge Galerien haben es überall schwer. Warum sollte das in Wien anders sein?

Die Annahme, es könnte hier oder dort anders sein, ist meines Erachtens nicht der richtige Ansatz. Der Charakter der Kunstwelt bzw. deren Probleme sind nicht lokal und auch nicht national. Daher ist der physische Umzug an sich gar nicht so eine große Veränderung. Ich glaube jedoch, dass kleinere Kunstszenen oft eine nachhaltigere Form von Gemeinschaft und Zusammenhalt hervorbringen können. Der Kreis der an der Kunstwelt Beteiligten ist hier kleiner als zum Beispiel in Berlin, dies ergibt aber auch die Möglichkeit sich intensiver miteinander, mit der Kunst als auch mit dem Standort auseinanderzusetzen. Zudem gibt es in Wien immer noch eine Art von Gewerbemietschutz und eine staatliche Unterstützung der Kunst (deren Zukunft ist sicherlich angesichts einer rechten Regierung ungewiss). Darüber hinaus ist Wien noch nicht voll im Ausverkauf seiner selbst angekommen, wie Berlin es gerade nach London und New York schmerzhaft erfährt.

Berliner Galerien waren schon immer auf internationale Präsenz angewiesen, weil der Heimatmarkt nicht besonders stark ist. Warum sollten die Bedingungen im kleinen Österreich besser sein?

Jeder Einzelne in der Kunstwelt ist inzwischen international verankert, dies ist grundlegend wichtig und auch gut so. Der Dialog findet im Lokalen aber auch genauso jenseits nationaler Grenzen und sogenannter Heimatmärkte statt. Der spezifische Standort spielt aber natürlich eine Rolle. Und wenn ich das Publikum bei der kürzlichen Eröffnung am 14. September in Wien mit Berlin vergleiche, gibt es bedeutende Unterschiede. Es war sehr gemischt: SammlerInnen, StudentInnen, KuratorInnen, MuseumsdirektorInnen, an Kunst interessierte Menschen, ein breit aufgestelltes und enorm interessiertes Publikum. In zehn Jahren Berlin war keiner der einschlägigen Sammler jemals bei mir persönlich in der Galerie, sie haben aber teilweise auf Messen bei EXILE gekauft. Ich denke, das spricht für sich selbst.

In Berlin ist die Galerienszene extrem kompetitiv, während die Wiener Szene als verschlossen gilt. Haben Sie sich mit dem Umzug möglicherweise vom Regen in die Traufe begeben?

Ich halte die Berliner Galerienszene nicht für spezifisch kompetitiv. Wettbewerb, auch unter Kollegen, hat ja auch etwas Positives. Man kann im Wettbewerb stehen und sich doch kollegial verhalten. Solange man sich dessen bewusst ist, doch miteinander verknüpft zu sein, sich gegenseitig zu respektieren und eventuell sogar einmal zu unterstützen, ist Wettbewerb kein Nachteil. Ob Wien als verschlossen gilt, kann ich nicht beurteilen.

Wie sind Sie bisher von den KollegInnen aufgenommen worden?

Ausgenommen positiv. Ich war sogar überrascht, wie freundlich, kollegial, interessiert EXILE bisher hier empfangen wurde.

Im globalen Wettbewerb herrscht seit einiger Zeit die Devise „Grow or Die“. Wie positionieren Sie sich in diesem Verdrängungswettbewerb?

Ich habe mich schon vor langer Zeit gegen Wachstum entschieden. Mir ist es wichtig, klein, flexibel und unabhängig zu bleiben. Der Name der Galerie ist und bleibt auch ihre Definition. Wachstum bedeutet ja eine immer größere Verquickung mit dem Kapitalmarkt, den Corporate-Großmessen und in meinen Augen auch einen gewissen Verlust an Eigenständigkeit. Dies ist nicht mein Ziel, und auch nicht Ziel der Künstlerinnen der Galerie.

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Exile
1010 Wien, Elisabethstraße 24
Tel: +43 681 814 628 48
Email: info@exilegallery.org
http://exilegallery.org
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-18, Sa 11-15 h

Abbildung: Christian Siekmeier mit Paul Sochacki: Aesthetics of a facade, 2011. Öl auf Leinwand, 63 x 51 cm. Foto: Hans-Jürgen Fenneis

Mehr Texte von Stefan Kobel

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