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Omer Fast. Der Oylem iz a Goylem: Von der Indifferenz der Welt

Omer Fast, 1972 in Jerusalem geboren und heute in Berlin lebend, setzt sich in seinen Arbeiten mit verdrängter Vergangenheit auseinander, die er in irritierender Form in Situationen der Unbedachtheit bei seinen Protagonisten aufbrechen lässt.

Hier in Salzburg sind drei seiner jüngsten Filme zu sehen, unter anderem der 26-minütige Streifen „Der Oylem iz a Goylem“ der im Frühjahr 2019 in Salzburg und Werfen gedreht wurde. Seamus Kealy, der Direktor des Kunstvereins hat den Streifen produziert und ermöglicht damit eine Filmschau, die bis Oktober an der Salzach zu sehen sein wird. Sie ist die erste größere Werkschau von Omer Fast in Österreich.

Im Vergleich zu früheren Arbeiten sind die hier gezeigten Filme narrativer. Fast besetzt auch bekannte Schauspieler wie Jens Weisser und Bernhard Schütz für seinen Film „August“, 2016 oder Ursina Lardi für „Der Oylem iz a Goylem“, 2019. In „August“ wird von Erinnerungen des Fotografen August Sander erzählt, der erblindet sich an Schnüren mit Klingeln durch seine Wohnung tastet. Während der mühsamen Prozedur des Teekochens, erscheinen sonnendurchflutete Bilder in denen er mit seinem Sohn Erich Aufnahmen von Bauern und Jugendlichen machte. Es ist die Geschichte von August Sander und seines Sohnes Erich, der in der Gestapohaft an einer unbehandelten Blindarmentzündung verstarb. Hier, in bildhaften Erinnerungsfetzen erzählt, zeigt sie die Perfidie des nationalsozialistischen Systems. Großartig verkörpert Bernhard Schütz den NSDAP-Mann, der die Überreichung der Sterbekunde des Sohnes an den Vater dafür nutzt um den berühmten Fotografen um ein Portrait zu bitten.

Die anderen beiden Filme – neben „Der Oylem iz a Goylem“ zeigt die Ausstellung noch „The invisible Hand“ 2018, verhandeln komplizierter und verschachtelter das Thema der identitätsstiftenden ungeliebten Vergangenheit. „The invisible Hand“ wurde für das Time Museum in Guangzhou in China produziert und später von den Behörden zensiert. In beiden Filmen kommt eine Märchenerzählung vor. Sie fungiert als Metaebene, die wie eine Folie Handlungen und Spiel der Protagonisten unterlegt.

In „Der Oylem iz a Goylem“ sitzt auf einem Sesselift plötzlich ein orthodox gekleideter Jude neben einer Schifahrerin. Er erzählt ein jiddisches Märchen auf jiddisch. Die Frau hört zuerst zu, dann fühlt sie sich belästigt, bringt dies auch zum Ausdruck und nimmt dem Mann dann gewaltsam den Hut weg um ihn zu stoppen. Diese Tat - den Hut eines orthodoxen Juden ohne zu fragen an sich zu nehmen - ist ein Übergriff, ein gewaltsamer Akt und eine Beleidigung. Danach ist dieser märchenhafte Mann vom Sessellift verschwunden. In späteren Sequenzen zeigt der Film wie der Hut vom Schiliftpersonal am Hang gefunden wird und zu einem Hutlager in einer Schiunterkunft gebracht wird. Die Assoziationen von gehäuften Gewandbergen stellen sich dabei von selbst ein.
Der hier kurz skizzierte Film vereint viel von der jüdischen Geschichte Mitteleuropas vom Mittelalter bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Der kurze Film „The invisible Hand“ ist als Virtual-Reality-Film mit 3D-Brille und Kopfhörern zu sehen. Er erzählt von der Treulosigkeit eines Mannes gegenüber einem Geist, der dem Mann zu Wohlstand verholfen hat. Die Treulosigkeit wird durch die Verpflichtung nur mehr die Wahrheit sprechen zu dürfen bestraft. Daraufhin zerbricht seine Familie, da sie der Brutalität der Wahrhaftigkeit nicht gewachsen ist.
Dass dieser 2018 in China gedrehte Film die Zensur der chinesischen Behörden auf den Plan rief ist kaum verwunderlich. Es sind opulente Bilder, wie aus einem asiatischen Spielfilm, die Omer Fast hier gelingen.

Diese umfassende Schau im Salzburger Kunstverein ermöglicht es, die gereifte und streckenweise auch sehr malerische filmische Sprache von Omer Fast zu entdecken. Eines Künstlers, der sowohl Geschichte als auch Kulturgeschichte des Orient und Okzident in einer filmischen Form zu verdichten versteht.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Omer Fast. Der Oylem iz a Goylem
27.07 - 06.10.2019

Salzburger Kunstverein
5020 Salzburg, Hellbrunnerstrasse 3
Tel: +43 (0) 662/84 22 94-0, Fax: +43 (0) 662/84 07 62
Email: office@salzburger-kunstverein.at
http://www.salzburger-kunstverein.at
Öffnungszeiten: Di-So 12-19h


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