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Banu Cennetoğlu: Medien als Politik als Medium

Das Düsseldorfer K21 zeigt jetzt eine Einzelpräsentation von Banu Cennetoğlu, in der die engagierte Künstlerin einmal mehr die Funktionsweisen der Medien bei der Konstruktion von politischen (Presse)Landschaften hinterfragt. 

Banu Cennetoglus Textarbeit „BEINGSAFEISSCARY“ (2017) an der Fassade des Kasseler Fridericianum gehörte zu den Highlights der letzten Documenta. In der Athener Ausgabe der d 14 zeigte sie zuvor und gleichzeitig ihre beeindruckende Installation „Gurbet‘s Diary“ (2016 - 2017), die Auszüge aus dem Tagebuch der kurdischen Widerstandskämpferin Gurbetelli Ersöz (1965 – 1997) in Spiegelschrift auf Kalksteinplatten präsentierte. In ihrer Ausstellung jetzt im Düsseldorfer K21 untersucht die in Istanbul lebende Künstlerin ebenfalls die politische Dimension von Sprache, insbesondere ihre Modalitäten in den Printmedien, sowie das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit in Zeiten, in denen nicht zuletzt die sogenannten „sozialen Netzwerke“ den Unterschied von beiden Sphären zunehmend kleiner werden lässt.

In den ersten zwei Sälen der intelligenten Ausstellung zeigt die Künstlerin ihre Installation von sechs Zeitungsarchiven. Jedes Archiv versammelt Tageszeitungen, die an einem bestimmten Tag in bestimmten Regionen der Welt erschienen sind. Das Archiv „11.08.2015“ (2015), das bereits 2015 im Bonner Kunstverein ausgestellt war, zeigt Zeitungen aus Deutschland. Die vergleichende Lektüre dieser offenbart dann nicht nur, welche Themen hier gerade allgemein als wichtig angesehen werden, sondern auch die scheinbare Gleichwertigkeit von Meldungen politischen Inhalts mit solchen aus den Bereichen Sport oder Showbusiness, denn alle tauchen hier nebeneinander auf den Titelseiten auf. Die Auswahl der Themen, so zeigt das parallele Lesen ebenfalls, ist nicht zuletzt abhängig von der politischen Ausrichtung der ausgewählten Zeitung. Vermag die einzelne Zeitung noch als relativ „souverän“ erscheinen, in ihrer Reihung mit anderen „Blättern“ erweist sie sich dann fast schon als willkürliche Angelegenheit. Selbstverständlich wird im Vergleich der einzelnen Archive auch deutlich, wie die Bedeutungen der Meldungen, ihr sogenannter „Nachrichtenwert“, auch abhängig ist von der politischen Situation im jeweiligen Land, von dem „Nachrichtenfaktor“ Nähe eben.

Übrigens: Zwei Etagen unter Cennetoğlus Ausstellung ist derzeit eine große Retrospektive von Ai Weiwei zu sehen, in der auch dessen Arbeit „The Newsfeed“ (2016) ausgestellt ist. Diese Bodentapete versammelt Kurznachrichten zum Thema „Flüchtlingskrise“ und gerade die eindeutige Konzentration auf das eine Thema macht die Differenz zu Cennetoğlus künstlerischem Ansatz aus: Wo Ai Weiwei in der medialen Ansammlung eine ideologisch-diskursive Unterstützung für sein Engagement sucht, betont Cennetoğlu in ihren Archiven die brüchige Vieldeutigkeit der medialen Nachrichten.  

Im zweiten Saal dann ist neben den gezeigten Zeitungsarchiven noch Banu Cennetoğlus Arbeit „ICHWEISSZWARABERDENNOCH“ (2015/19) zu sehen: 23 schwarze Luftballons ergeben die titelgebende Buchstabenfolge, ein Zitat des französischen Psychoanalytikers und Ethnologen Octave Mannoni, mit dem dieser den Vorgang des Verleugnens von Tatsachen beschreibt. Als Kommentar zu den Archiven relativieren die Luftballons, die unter der Decke schweben und während der Ausstellung zunehmend „schlapper“ werden, die Handlungsmacht von Zeitungen massiv. Zwar weiß man auch dank ihrer um die Relevanz der Klimakatastrophe, aber dennoch fliegt man nach …

Nur eine Arbeit ist dann im letzten Saal zu sehen, nämlich der Film „1 January 1970 – 21 March 2018 - HOWBEIT - Guilty feet have got no rhythm - Keçiboynuzu - AS IS MurMur - I measure every grief I meet - Taq u Raq – A piercing Comfort it affords - Stitch - Made in Fall - Yes. But. We had a golden heart. - One day soon I‘m gonna tell the moon about the crying game“ (2018). Das 128 Stunden lange Werk zeigt in chronologischer Folge das gesamte Bildarchiv aller Festplatten, Handys und Kameras der Künstlerin aus der Zeit vom 10. Juni 2006 bis zum 21. März 2018. Hier mischen sich höchst persönliche Momente, wie die Geburt ihrer Tochter und die Krankheit ihrer Mutter, mit beruflichen Situationen, wie etwa einem Aufstellungsaufbau, sowie mit politischen Ereignissen, wie der „Flüchtlingskrise“. Die sowohl bewegten wie unbewegten Bildern werden da ungeschnitten, unkommentiert und mal mit, mal ohne Ton gezeigt. Nicht nur wird Privates in diesem, wenn man so will, bildlichen Tagebuch politisch, das Politische wird da im selben Moment privat, eine Trennung dieser beiden Welten wird von Banu Cennetoğlu nicht (mehr) zugelassen. Gut so!

Mehr Texte von Raimar Stange

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Banu Cennetoğlu
06.07 - 10.11.2019

K21 Ständehaus Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
40217 Düsseldorf, Ständehausstraße 1
Tel: +49-(0)211-8381-130, Fax: +49-(0)211-8381-201
Email: info@kunstsammlung.de
http://www.kunstsammlung.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18.00, Sa, So 11-18.00 h


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