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Die scheinbare Grenzenlosigkeit des Kunstmarkts

Das achte Kunstversicherungsgespräch auf der Art Cologne

Manchmal bestimmen Abwesende die Agenda. Der Brexit ist zwar wieder einmal aufgeschoben, dräut aber immer noch am Horizont. So bot die mittlerweile kafkaesk anmutende Exit-Strategie der Briten aus dem europäischen Nachkriegsdiskurs Anlass und Einstieg zum achten Kölner Kunstversicherungsgespräch im Rahmen der Art Cologne.

Die Bedrohung der fragilen Komplexität unserer Wirtschaftsordnung und letztlich jeder Art von Austausch, sei es von Gütern, Ideen oder eben Kunstwerken durch das mutwillige Axtanlegen an einen ihrer Pfeiler warf ihren Schatten auf die vom Kulturjournalisten Peter Grabowski immerhin sehr kurzweilig moderierten Diskussion. Denn der Brexit führt nur zu deutlich vor Augen, wie empfindlich das auf reibungslose Abläufe angewiesen System des internationalen Kunstmarkts ist.

Auf dem Podium saßen ausschließlich Marktteilnehmer, die naturgemäß aus allem das für sich Beste zu machen versuchen müssen. Eingangs erläutert Christina Berking, Anwältin und Sprecherin der Interessengemeinschaft des Deutschen Kunsthandels, dass der britische Kunsthandel im globalen Rahmen deutliche steuerliche Vorteile gegenüber den Kollegen aus der EU haben dürfte, lässt man Unwägbarkeiten und zunächst chaotische Verhältnisse nach dem Ausscheiden aus der Europäischen Union beiseite. Großbritanniens Kunsthandel hatte bisher ohnehin schon günstigere fiskalische Rahmenbedingungen als die Eu-Kollegen vom Festland. Da Großbritannien außer Finanzprodukten und Immobilien kaum etwas produziert, ist anzunehmen, dass die Insel sich als Steuerparadies und Handelsplatz positionieren wird, was auch den EU-Kunstmarkt weiter ins Hintertreffen bringen dürfte.

Genau in diese Richtung gehen erste Vorkehrungen, die bereits jetzt getroffen wurden, wie Eric Wolzenburg, Leiter der Kunstversicherungssparte der Allianz zu berichten wusste: Finanzverträge würden im Rahmen des Contractional Run-Off noch fünf Jahre nach einem unregelmäßigen Brexit gelten, Versicherungsverträge sogar 15 Jahre. Selbst wenn es nichts mehr zu Essen geben sollte auf der Insel, werden Bankgeschäfte also immerhin noch möglich sein. Da gilt es, Prioritäten zu setzen.

Unvorbereitet werde der Tag X die Kunst-Logistik allerdings nicht treffen, auch wenn die Branche nicht wisse, was genau passieren werde, versuchte Thomas Schneider vom Kunsttransporteur Hasenkamp zu beruhigen. Dringlichste Vorsorge bei Christie's galt laut Dirk Boll aus London dem Papiernachschub zum Druck der Kataloge, da dieses aus der EU bezogen werde. Während Christie's als globales Unternehmens Teams auf der ganzen Welt hat, die die jeweiligen Regionen abdecken und Wissen sowohl elektronisch als auch in realen Treffen austauschen, führt Katrin Stoll mit Neumeister in München ein kleines Unternehmen an nur einem Standort. Sie würde durch eine voranschreitende Nationalisierung der Politik wohl härter getroffen als Konzerne. Auch die Abschottung der Kulturen durch Betonung der jeweiligen Eigenheiten sieht sie kritisch.

Wie kleinteilig die Kunstbranche im Vergleich mit anderen Industrien – besonders in Deutschland – ist, führte Stephan Zilkens eindrücklich vor Augen. Eine fast vollständig aus Klein- und Kleinstbetrieben bestehender Wirtschaftszweig mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an Selbständigen bediene einen Markt der so international sei wie kaum ein anderer. Mit 2,1 Milliarden Euro Umsatz sei der deutsche Markt zwar deutlich größer als von den einschlägigen Marktstudien angenommen. Doch die Globalisierung habe in den letzten anderthalb Jahrzehnten die Branche von Grund auf verändert und bringe viele Marktteilnehmer an ihre Grenzen.

Ob die Globalisierung des Marktes auch die Kunstproduktion, also die Inhalte verändert hätte, wollten weder Boll noch Berking beantworten. Mit Verweis auf die Vergangenheit – etwa die Niederlande im 17. Jahrhundert mit einem Boom bürgerlicher Kunst wie Stillleben und Landschaftsmalerei – wies Berking darauf hin, dass gesellschaftliche Veränderungen schon immer auch die Kunstproduktion beeinflusst hätten.

In der Weltwirtschaft hänge letztlich alles vom Wachstum in China, der Nachhaltigkeit und ökologischer Verträglichkeit ab, darüber herrschte Einigkeit. Der Logistiker sieht mittelfristig keine Risiken. Berking hofft auf eine Besinnung auf regionale Eigenheiten und Schwerpunkte der jeweiligen Marktplätze, weil auch die Kunden jeweils andere Wünsche und Verhalten an den Tag legten.

Wachstum sei in der jüngeren Vergangenheit durch den Markteintritt bisher abgeschnittener Gesellschaften gekommen. Das Thema sei aber inzwischen durch, es gebe praktisch keine weiße Flecken mehr auf der Landkarte. Nachtfragewachstum werde in Zukunft in der Vertiefung der Nachfrage entstehen, also durch neue Käuferschichten in bestehenden Märkten. Die Herausforderungen werden also nicht kleiner werden.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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