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Otto Zitko - Retroprospektiv: Im Zeichen der Linie

Das Lentos zeigt die erste Retrospektive des 1959 in Linz geborenen Künstlers Otto Zitko und erfreut sich gleichzeitig an einer Dauerleihgabe von zirka fünfzig Werken, die der Vorstand der Maria-Lassnig-Stiftung Peter Pakesch dem Museum übergab. Unter dem Titel „Retroprospektiv“ werden sowohl Arbeiten aus den frühen 80er-Jahren als auch aktuelle Werke ausgestellt.

Während sich die Linie als immer fortsetzendes grafisches Gestaltungselement durch die Arbeiten des in Wien lebenden Künstlers zieht, zeigt die Ausstellung auch Zitkos Frühwerk, nämlich seine Ölbilder, die er erstmals 1983 bei Pakesch in Wien ausstellte. Diese expressiven Malereien sind Schichtungen dick aufgetragener Farbe, die Zitko mit Pinsel und Maurerkelle schuf. Das Anrühren und Auftragen der Farbe bedarf hoher Ausdauer und immer wieder musste Zitko wegen der Trockenzeiten das Arbeiten unterbrechen. Gerade die frühen 1980er-Jahre in Wien waren für Zitko bedeutsam, um in der internationalen Kunstszene Fuß zu fassen. 1988 schuf er sein vorerst letztes Ölgemälde. In Folge widmete er sich der Linie, wobei er immer wieder mit unterschiedlichen Bildträgern und Materialien experimentierte, nach welchen sich auch die Ausstellung gliedert.

Ab Mitte der 90er-Jahre arbeitete Zitko mit Ölstiften und später Acrylfarbe und Malerrollen auf weiß eloxierten Alutafeln – meist in Schwarz, Rot, Blau oder Gelb. Es entstehen Liniengebilde, die sich teils zu gitterhaften Strukturen verdichten, wieder auseinandergehen und so Dreidimensionalität erzeugen. Besonders bemerkenswert sind die Papierarbeiten, die man äußerst selten zu Gesicht bekommt. Die figurativen Zeichnungen entstehen durch eine fortlaufende Linie, die irgendwo am Blatt beginnt, ein Gesicht, Pflanzen, Tiere oder Landschaft hervorbringt und dann wieder im Nichts verläuft. Das beabsichtigte Hervorbringen eines Motivs bedarf vor allem der Konzentration und eines Bewegungsflusses während des Zeichnens, um die Linie nicht zu unterbrechen.

Die heute wohl bekanntesten Werke sind Zitkos Raumarbeiten, wobei er für die Ausstellung eine eigene Wandarbeit im Annexraum schuf. Die Zeichnungen entstanden anfangs in privaten Räumen, später in kulturellen Institutionen (z.B. in den mumok Hofstallungen) und schließlich 2006 auch für das Wiener Restaurant Skopik & Lohn. Auf den ersten Blick wirken die Raumarbeiten spontan, was in gewisser Weise zutrifft, denn es gibt in der Tat weder Entwürfe noch Vorzeichnungen. Jeder Strich bildet sich aus dem vorhergehenden, wobei Zitko sehr wohl den Raum miteinbezieht, Bezugspunkte schafft und auf die Architektur eingeht. Er malt mit einer an einem Teleskopstab befestigten Farbrolle. Je nach Raumgröße dienen ihm ein fahrbares Gerüst oder ein Scherenlift als Hilfe. Die ausgeführten Wandarbeiten strahlen Spontaneität und Leichtigkeit aus, wobei der Akt des Malens durchaus sehr viel Kraft und Ausdauer benötigt und der Künstler dabei mehrere hundert Meter zurücklegt.

1989 bis 1995 entstanden Zitkos Rußbilder hinter Glas. Beim Hantieren mit Gartenfackeln mit Petroleum entwickelte sich eine Methode, um das Glas mit Ruß zu schwärzen. Die mit dem Finger oder einem Stichel gezeichnete Linie erzeugt auf dem Glas eine ganz eigene Optik. Durch die ölige Substanz nimmt sie verschiedene Grautöne an und verschwimmt teilweise. Auch Zitkos Spirogramme sind Ergebnisse des Zufalls. Nach einer Lungenuntersuchung bekam er die Aufzeichnungen des Spirometers, das die Lungenfunktion misst, zu Gesicht, die eine große Ähnlichkeit mit seinen Rußbildern hatte. In einer eigenen Sitzung experimentierte Zitko mit dem Ein- und Ausatmen und der dabei hinterlassenen grafischen Spur. Diese Visualisierungen verkörpern für Zitko etwas Immaterielles, weil letztendlich die geschaffene Linie gar nicht existiert.

Einblick in die neueste Werkgruppe gibt der Silberraum. Auf den monochromen Bildtafeln scheint sich die Linie in der Fläche aufzulösen, Lichtreflexionen werden in der „Nichtfarbe“ sichtbar und je nach Standpunkt und Raumatmosphäre verändert sich die Oberfläche in der Wahrnehmung des Betrachters. Optisch ähnlich, aber konträr zum Konzept sind die 2015 für eine Berliner Galerie entstandenen Cardboards. Die Linie scheint sich hier über die großflächigen Bildträger fortzusetzen, wodurch im Kopf des Betrachters eine zusammenhängende Zeichnung entsteht. Verdichtungen und das abwechselnde Verstärken der Konturen lassen die Linie dreidimensional durch den Raum gleiten.

Die Räumlichkeiten des Lentos scheinen regelrecht für Zitkos Werk geschaffen zu sein. Durch das offene Raumkonzept lassen sich leicht Bezüge und Vergleiche herstellen. Alles in allem eine gelungene Ausstellung, die das beeindruckende Œuvre des „Neuen Wilden“ honoriert.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Otto Zitko - Retroprospektiv
07.06 - 15.09.2019

Lentos Kunstmuseum Linz
4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1
Tel: +43 70 7070 36 00
Email: info@lentos.at
http://www.lentos.at
Öffnungszeiten: täglich außer Mo 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr


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