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Maria Hahnenkamp: Sprengt mein Auge ein Loch in die Welt?

Zweifellos ist Maria Hahnenkamp eine Wilde, wenn sie sich permanent an Idealen abarbeitet und sich rächt an einer Fotografie, die es in Frage stellt, wie wir sein sollen, die uns zurichtet für eine Reproduktion, und wenn sie Rot als das Gegenteil von Weiß festmacht.

Das Herausragende an den Arbeiten der österreichischen Künstlerin ist die Beschäftigung mit den methodischen und strukturellen Konsequenzen des Mediums Fotografie und dem Verhältnis desselben zum weiblichen Körper. Hahnenkamp inszeniert dies weder in einer Buchstäblichkeit noch in einer Dramatik, sondern wählt eine spezifische Form, die im Wesentlichen von Auslassungen, vom Wegnehmen, Reduzieren geprägt ist. Die Betrachtung bietet sowohl einen Blick ins Medium der Fotografie selbst, wie auch einen Blick in das Verhältnis des Mediums zum (weiblichen) Körper.

Zu Beginn steht rein der Blick im Fokus – die Möglichkeiten des fotografischen Dispositivs und wie der Blick Realität generieren kann. Die von Walter Seidl kuratierte Ausstellung ist Ergebnis einer detailreichen Auseinandersetzung mit dem Medium – der Apparatur selbst und dem Sehen als solches. Proto-fotografische Objekte oder „Sichtformationen“ rekurrieren auf verschiedene Elemente des Fotoapparats wie etwa der Blende („O.T.“, 1993). In weiterer Folge geht es um Blickachsen, die sich in der Fotografie auftun und die Frage nach der Verortung des Blicks stellen: Eine Parfum-Devotionalie („O. T.“, 1995/2019) präsentiert sich als Objekt im Raum, verweist auf die Lochhaftigkeit des Blicks, auf das weibliche Genital wie auch auf die Camera obscura. Der „Blick des Raumes“ wird mit definiert, die Wand geöffnet, die Realität als eine perspektivische Darstellung dem Publikum vor Augen geführt. Auch die „Ornamentbohrung“ (2019), eine Lochbohrung, verweist auf eine (weibliche) Formensprache und den Blick, der in der Arbeit Hahnenkamps einerseits verwehrt wird, andererseits auf historische Formationen wie den am Ornament orientierten Klassizismus, wie auch der Moderne und auf das in einem (weiblichen) Diskurs, wie bei Judith Butler, auf den Körper Zugeschriebene.

Die Schau zeigt unterschiedliche Modelle des Blicks und nicht „ein Bild als solches“, sondern Möglichkeiten von Bildformationen. In der Sehfunktion stellt sich ein Begehren auf ein mögliches Bild ein. Es ist der Moment, in dem Hahnenkamp sich mit Psychoanalyse, mit dem Begehren nach etwas, insbesondere mit Jacques Lacans Theorie des plaisir (Vergnügen) vs. manque (Mangel) beschäftigt; mit dem Versuch, durch das Begehren etwas hervorzurufen, das weder befriedigt werden kann, noch mit Liebe zu tun hat, sondern mit der Erkennungsfunktion, dem „Spiegelstadium“, in dem sich das Subjekt als „das Andere“ erkennt. „Fragmente“ (2008/2019) – eine Arbeit, die einen Folienvorhang mit Blitzlicht-Formationen zeigt, ist „Spiegelstadium“ für den Ausstellungsraum selbst: Die Funktion der „Blitzlicht-Spiegelungen“ ähnelt der Lochbohrung. Hier wird der Raum zur „Kamera“, das Davor und Dahinter (das Selbst und das Andere) zum Thema. Der Raum verhandelt die Apparatur der Kamera schlechthin und die Begierde nach dem perfekten Abbild des Porträtierten. Eine Metaebene verhandelnd, ohne tatsächlich den Körper im Bild zu haben, wirft die Frage nach den Möglichkeiten der Abbildung auf.

Wie die Künstlerin den Blick auf den Körper minimiert oder sich (und den Rezipienten) diesem gar völlig entzieht, spiegelt die kuratorische Position wider, die in der Ausstellung ein- bzw. aufgelöst wird. Es vollzieht sich ein gradueller Übergang von der reinen Metaebene der Fotografie über ein Ausloten des Blicks bis hin zur (Nicht-)Darstellung von Körper(n).

Hahnenkamp bearbeitet das fotografische Papier, indem sie das Foto abschmirgelt, wodurch sie die fotografische Oberfläche auskratzt. Ursprünglich zeigten die Fotos „ohne Titel“ (1999/2011) Frauen bei der Schönheitspflege. Die Frau als Objekt der männlichen Begierde, als Spiegel derselben, löscht Hahnenkamp aus, wenn sie das Foto von ihrem eigentlichen Bild befreit und nur mehr Ausschnitte der fotografischen Oberfläche an den Rändern zeigt. Zusammengenäht verweisen die Bilder auf die Naht (sutur) im Sinne Lacans, sind dann Übergang zum Ornament und zeigen schließlich ein „Weniger als Nichts“ an – ein Bemühen an den Rand der Leere zu kommen; eine Sehnsucht also und die Nichteinlösbarkeit des Begehrens, weil es sich selbst immer wieder reproduziert. Hahnenkamp verweigert die Schaulust, auch wenn sie in ihrer 4-minütigen Videoinstallation „V12 / 19“ (2019) den Körper fotografisch scannt, Auszüge aus banalen Modemagazinen mit Fotos von Man Ray, Imogen Cunningham oder Robert Mapplethorpe hintereinander reiht und die Leere in der Mitte des Körpers zu ihrem Hauptthema macht. „In einer weißen Fläche können sich Dinge spiegeln und man kann in gewissem Sinn durch sie hindurch sehen.“ Nach einem Zitat von Ludwig Wittgenstein, aus: „Über Gewißheit. Bemerkungen über die Farben“, Suhrkamp, 1984.

Was Fotografie (für sie) ist, erörtert die Künstlerin ergänzend in Form eines Buches, das in der Edition Camera Austria herausgegeben wurde und legt damit ein feinsinniges, poetisches „Künstlerinnenbuch“ vor, das Bild und Text miteinander gleichsetzt, Fragen stellt nach dem Blick, der Repräsentation und um das Thema der leeren Mitte, dem Begehren kreist.

Der Bogen schließt sich zum Beginn der Ausstellung in Form einer weißen Steingipsplatte, die als Platzhalter für ein mögliches Bild dient, das hier produziert werden kann, aber auch für das Begehren nach dem Abbild im Bild. Am Ende geht es um ein Durchschauen durch das Bild, um „kein Bild“, das einen bestätigt, sondern das öffnet…

Mehr Texte von Bettina Landl

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Maria Hahnenkamp
09.03 - 26.05.2019

Camera Austria
8020 Graz, Kunsthaus Graz, Lendkai 1
Tel: +43(0) 316/ 81 555 00, Fax: +43(0) 316/ 81 555 09
Email: office@camera-austria.at
http://www.camera-austria.at
Öffnungszeiten: Di-Sa 10-17 h


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