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Impressionismuskriminalitätsfehler

Erwerben Sie zeitgenössische Kunst. Der Erwerb ist legal. Die Wertsteigerung zuweilen beträchtlich. Restitutionsforderungen sind ausgeschlossen, Fälschungen selten. Am besten direkt in der Galerie Ihres Vertrauens. Lernen Sie Künstlerinnen und Künstler kennen, lernen Sie verstehen und erleben, und dann leben Sie in Ihrer Zeit. Was gibt es Wertvolleres? Und klauen Sie keine Kunst. Schon gar nicht eine, die ihren Wert kaum behalten wird. Und klauen Sie keine, die Sie jetzt schon nicht mehr sehen können.

Wahrscheinlich sind es die vielen Kalenderblätter, die von der Kunst Renoirs angefertigt wurden, die sie schwer erträglich machen. Das schmierige Rosa, die altbackene Bürgerlichkeit, das ungetrübt Heitere. Ganz abgesehen von der Boudoir-Serie. Die Nacktheit bei Renoir ist beschämend, weil sein Figurenideal irritiert und die Nähe zum Körpervolumen unbehaglich wird. Es wird nicht mehr lange dauern, bis eine “He-Too” Marke neben die Signaturen solcher Bilder geklebt wird, sie wird Maler ausweisen, die sich voyeuristischer Blickgier schuldig machen. Ein ähnliches Bild wurde am Mittwoch um fast eine halbe Million ersteigert. Das Gemälde, man möchte eher sagen, die Skizze aus dem Wiener Dorotheum, die daneben hing, und jetzt verschollen ist, ist zuerst nichts davon. Es ist ein überraschend harmloses Landschaftsnotat. Eine Küste, Wind, Wetter, Wasser. Flaches blaues und hellgrünes Meer wird in die Bucht gespült. Am Horizont die Andeutung weniger Gebäude. Waagrechte Pinselwellen durchziehen das Bild, nur ein kleiner Busch im Vordergrund schafft eine kleine widerborstige Insel. Am besten ist noch die Lichthaltigkeit, die von der Grundierung durchscheint, der leichte Fluss der Skizze und ja: die Momentdarstellung. Der Maler ist an diesem Platz gewesen und hat nur wenige Minuten gebraucht. Wahrscheinlich ebenso lange, wie die drei Komplizen in der Dorotheergasse, um das kleine Gemälde hinaus ins Freie zu schaffen.

Ein diebischer Kurzauftritt und ein krimineller Impressionismus, der das falsche Sujet erwischt hat? Oder haben die Diebe etwa absichtlich ihrem Auftraggeber das minderwertigere aber politisch korrektere Bild ausgewählt? Wie auch immer, einer trug auf jeden Fall einen Papiersack mit der Aufschrift “Ecco” (!), was nichts anderes heißt, als “da haben wir’s ja!”

Abbildungen
Pierre Auguste Renoir
Oben: Landschaft, 1895 (gestohlen im Dorotheum am 26. November 2018)
Unten: Femme nue assise vue de trois-quarts (Baigneuse), 1915–19 (versteigert im Dorotheum am 28. November 2018 um 442.200,- €)

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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