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Speicherstadt in Rasterstadt

In musealen Belangen innovativ gibt man sich in Mannheim schon seit mehr als einem Jahrhundert. „Kunst für alle“ lautete das Motto von Fritz Wichert, den man bald nach der Gründung der Kunsthalle als Direktor ans Haus geholt hatte. Unter finanzkräftiger Beteiligung des Bürgertums war die Kunsthalle 1907 aus Anlass des 300. Stadtjubiläums gegründet worden, mit Wicherts „Akademie für Jedermann“ und dem „Freien Bund zur Einbürgerung der Kunst in die Stadt Mannheim“ eröffnete er der Bürgerschaft im Gegenzug ein innovatives Bildungsangebot. Das beiderseitige Engagement hatte schnell Früchte getragen. So wurde Eduard Manets letzte Fassung der „Erschießung Kaiser Maximilian von Mexiko“ von neun Mäzenen der Stadt für das im wachsen begriffene Bürgermuseum erworben. Ein Kapital in Bildern, auf das heute noch aufgebaut werden kann.

Das bürgerliche Engagement ist geblieben, wenngleich die Kunsthalle in den letzten Jahren etwas verstaubt und verschlafen wirkte. Wen wundert dies, hat man doch mehrfach im Hintergrund gewirkt. Hinter dem historischen Bau des Karlsruher Architekten Hermann Billing ist ein Neubau der Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner (gmp) entstanden, gemeinsam mit ihrem Team hat die Direktorin des Hauses Ulrike Lorenz ein höchst avanciertes Museumskonzept entwickelt, das auf Wicherts Grundsätzen basiert und in fünf Thesen zum Kunstmuseum der Zukunft zusammengefasst ist. Die erste gleich verortet das Kunstmuseum der Zukunft inmitten der Gesellschaft, die letzte unterstreicht die politische Relevanz von derlei Institutionen.

Dass es sich bei den Thesen mitnichten um Hülsen handelt zeigt sich im Neubau und der Neukonzeption des ganzen Hauses, auch seiner digitalen Angebote. Gleich vorab, die Fassade macht jener des Billing-Baus keinerlei Konkurrenz, innen hingegen herrscht lichtdurchflutete Transparenz. Um das zentrale Tageslichtatrium gruppieren sich die Ausstellungsräume in drei Ebenen, es gibt Plätze, Brücken, Treppen, Terrassen und noch bevor man ein Ticket erworben hat, flaniert man durch das großzügige Entree, verfolgt mit den Blicken Alicia Kwades von der Decke pendelnde Uhr „Die bewegte Leere des Moments“, sieht hoch zu einer monumentalen Arbeit von Anselm Kiefer oder beginnt eifrig an einer Medienwand das Museum digital zu erforschen oder aber man staunt über die vielfältigsten (Vermittlungs-)Angebote, die das Haus seinen Besuchern macht. Gerkan, Marg und Partner wären die einzigen gewesen, deren Konzept die Rasterstruktur der Stadt thematisiert hatte, eine Idee, die sofort Anklang finden musste. Auch das Museum selbst, dieser Speicher von Wissen, will sich als Stadt verstanden wissen, will jenseits von zahlenden Besuchern ein offener wie öffentlicher Ort sein.

Mit Jeff Wall hatte man sich als erste Sonderausstellung ganz bewusst mit einer international herausragenden Position entschieden, Fotografie soll nun ein neuer Schwerpunkt des Hauses sein. Bewusst dürfte auch die Wahl des ersten Bildes der Präsentation gewesen sein, reflektiert Walls „Picture for Woman“ (1979) doch Manets „Bar in den Folies-Bergère“. Auch den eigenen Manet weiß man vortrefflich zu inszenieren. Das Gemälde hängt singulär in einem eigenen Raum, betrachtet, diskutiert, reflektiert kann es von Rita McBrides Auf- und Einbau „Arena“ (1997) aus werden. Im großangelegten Stageset mit dem Titel „Prototypen“ von Bogomir Ecker hat die Keramiksammlung des Hauses ihr passendes Display gefunden. Die Sammlungspräsentation selbst gibt sich locker gehängt, weniger einer Chronologie als thematischen Gruppen mit oftmals überraschenden Gegenüberstellungen folgend. Durch einen Gang von James Turell gelangt man in den Billing-Bau, wo man wahrscheinlich als eines der ersten Museen in Deutschland die Provenienzforschung bis ins kleinste Detail offenlegt und in die Sammlungspräsentation integriert. Wohin man in der Kunsthalle Mannheim auch blickt, man hat hier offenbar nichts falsch gemacht.

Und die Finanzen? Mit 68,3 Millionen Euro hat der Neubau gekostet. 12 Millionen kamen dabei von der Stadt, 6 Millionen von der Bürgerschaft und der Rest vom Mathematiker und SAP-Mitbegründer Hans Werner Hector. Dass man auch weiterhin so innovativ planen kann, wird seine Stiftung auch die nächsten Jahre das Programm mitfinanzieren. Die Kunsthalle Mannheim als Bürgermuseum. Alles neu und doch beim Alten.

Kunsthalle Mannheim
68165 Mannheim, Friedrichsplatz 4
Tel: +49 621 293 6423
Email: besucherservice@kuma.art
www.kuma.art

Mehr Texte von Daniela Gregori

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