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Der Kunst den (Bahn)Hof machen

Kunst im öffentlichen Raum kann vor allem eine Kunst sein, die sich mit eben diesem Raum kritisch auseinandersetzt und die nicht nur relativ beliebig irgendwo irgendwelche Artefakte in der Öffentlichkeit abstellt. Genau dieses führt jetzt die Ausstellung „Von fremden Ländern in eigenen Städte“ in Düsseldorf vor. Organisiert und kuratiert von „MAP Markus Ambach Projekte“ konzentrieren sich diese Präsentation und die 18 dabei gezeigten Kunstwerke nämlich darauf, den Bahnhofsbereich in Düsseldorf und seine hybride Situation als (multikultureller) Lebensraum, Transitraum für Bahnreisende und Geschäftsraum – auch für mehr oder weniger legale Deals – ästhetisch zu reflektieren. Schon die dafür ausgesuchten Orte stehen für diese Qualität des ambitionierten Unternehmens, so finden sich Arbeiten z. B. in einem Waschsalon, einer Tabledance-Bar, mehreren Ladenlokalen, einem der beiden Bahnhofsvorplätze und einer Box-Kneipe.

Da ist etwa die Installation „Wunderkammer des Quartiers“ zu besuchen, die Christine & Irene Hohenbüchler gemeinsam mit der Bahnhofsmission Düsseldorf in einem leerstehenden Ladenlokal gleich hinter dem Bahnhof eingerichtet haben. Im Bahnhofsquartier arbeitende und lebende, zum Teil wohnungslose Menschen stellen hier von ihnen gesammelte und gestaltete Objekte, Bilder und Skulpturen aus, die in poetischer Weise ihre Sicht auf ihr eigenes Leben spiegeln. Kleine Altäre sind dort aufgebaut, eine Bildersammlung voller vermeintlichem Trash ist zu sehen, ebenso eine Kollektion von Flaschen(post), die mit unterschiedlichen Fundstücken aus dem Bezirk gefüllt sind. Um diese nachdenklich-besinnlich stimmende Wunderkammer in Ruhe studieren zu können, sind zudem weiße Stühle aufgebaut, die Christine & Irene Hohenbüchler in verschroben-geometrischer „Unstrenge“ selbst entworfen haben.

Um die Ecke, nur wenige Gehminuten entfernt, ein ehemaliges Postgebäude, das jetzt leer steht und in Zukunft als Kulturzentrum umgenutzt werden soll. An dessen Fassade hat John Miller auf einem gelben Band ein Zitat von Guy Debord geschrieben, das die Leser engagiert dazu auffordert, ihre Gewohnheiten abzulegen, um sich dem zu überlassen, „was vor euch liegt“ - ein passender Kommentar zu eben der Situation, die am sich ständig und schnell ändernden Bahnhofsbereich alltäglich vorherrscht. Über eine Brücke ist das Gebäude mit einem zweiten Teil des Postgebäudes verbunden, das jetzt der Interimsnutzung des Düsseldorfer Schauspielhauses „überlassen“ ist. An dessen Fassade wiederum hat Katharina Sieverding einen 200 Meter langen Bilderfries installiert, der einerseits in kinematographischer Abfolge Motive ihrer langjährigen künstlerischen Arbeit aufblitzen lässt, andererseits dabei gesellschaftliche Probleme wie Globalisierung und soziale Ungerechtigkeit thematisiert, die sich gerade am Bahnhof in aller Deutlichkeit zeigen – und im Theater immer wieder verhandelt werden.

Andreas Siekmann schließlich hat, ebenfalls nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt, an der Dreiecksstraße sein Monument „Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“ aufgestellt. Der Titel benennt die im Grundgesetz festgelegten Prinzipien für demokratische Wahlen in Deutschland, Prinzipien, die bis heute für viele dort seit Jahrzehnten lebende und Steuer zahlende „Ausländer“ nicht gelten. Darum hat Andreas Siekmann Wahlkabinen aus unterschiedlichen Ländern unerreichbar in schwindelnder Höhe auf eine Hebebühne gestellt. Diagramme in dem für Siekmann typischem piktogrammatischen Stil, die auf einem Bauzaun am Boden der Installation angebracht sind, reflektieren zudem den prekären Zusammenhang von Wahlrecht, Ökonomie und Migrationsbewegungen.

Die 17 Arbeiten der Ausstellungen sind sicherlich nicht alle gleich stark, Sinn aber macht ihre Präsentation am ausgewählten Ort immer. Also: Hinfahren, mit der Bahn vielleicht.

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Von fremden Ländern in eigenen Städten
Bis 19. August 2018
Bahnhofsviertel Düsseldorf
--> vonfremdenlaendern.de

Mehr Texte von Raimar Stange

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