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Kamerabasierte Reflexionen

Das 1970 gegründete und international bedeutendste Fotofestival in Arles beweist auch 2018, wie sich durch soziale Umgangsformen mit dem Medium Fotografie Möglichkeiten der Annäherung an die Realität in ihrer historischen und politischen Dimension vermitteln lassen.

Unter dem Titel „Zurück in die Zukunft“ versucht die 49. Ausgabe von Rencontres d’Arles fotografische Positionen unterschiedlicher Epochen miteinander zu verquicken und auf historische Wendepunkte sowie aktuelle Konfliktsituationen hinzuweisen. In diesem Sinn darf auch in Arles in dieser Ausgabe eine Rückbesinnung auf das Jahr 1968 nicht fehlen, das in der Croiserie mit seinen Protestsituationen in unterschiedlichen Städten quer über den Globus verhandelt wird. Letztere bildet jedoch nur eine von 36 Ausstellungen, von denen ein Großteil in aufgelassenen Kirchen stattfindet, die zu Ausstellungsräumen umfunktioniert wurden.

Ein weiterer Schwerpunkt formiert unter dem Titel „America Great Again“, bei dem die fotografischen Deutungsmöglichkeiten der territorialen und gesellschaftspolitischen Veränderungen in den USA seit dem letzten Jahrhundert im Vordergrund der Debatte stehen. In ihrer s/w Ästhetik werden etwa Überblicksausstellungen der Arbeiten von Robert Frank jenen von Raymond Depardon gegenübergestellt, wobei die fotografische Dokumentations- und Reflexionsweise Depardons der USA von 1968 bis 1999 speziell für Arles neu aufbereitet wurde.

Obwohl aus einem anderen Kontext herrührend aber auch dem USA Schwerpunkt zugeordnet, zeigt das Festival die erste große Retrospektive des aus Gaza stammenden und seit langer Zeit in Paris lebenden Fotografen Taysir Batniji in der Chapelle Saint-Martin-du-Méjan. Seine Arbeiten widmen sich der langjährigen Konfliktsituation in seinem Heimatland Palästina, das sich für den Künstler oft nur unter schwierigen Bedingungen fotografisch erschließen lässt. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eines seiner letzten Projekte, eine 1 ½ jährige Recherche- und Arbeitstätigkeit, bei der Batniji seine in die USA ausgewanderten Cousins besuchte und künstlerisch die facettenreiche Genealogie der eigenen Familie aufarbeitete.

Auch Österreich ist mit Ausstellungsbeteiligungen von Heidrun Holzfeind und Gregor Sailer sowie Publikationspräsentationen von Fotohof Salzburg und Camera Austria vertreten, wobei letztere in einem Künstlerinnengespräch die jüngsten Projekte von Karina Nimmerfall und Sophie Thun vorstellte.

Unter dem treffenden Titel „Une Colonne de Fumée“ werden auch Aspekte der türkischen Gegenwartskunstszene in ihrem Umgang mit dem fotografischen Dispositiv herausgearbeitet. Für den Besuch des von Sam Stourdzé verantworteten Gesamtprogramms bedarf es mehrerer Tage, der sich gerade in diesem Teil Südfrankreichs auch nach der Eröffnungswoche den gesamten Sommer über lohnt.

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Arles 2018
Les Rencontres De La Photographie
2. Juli - 23. September 2018
--> www.rencontres-arles.com

Mehr Texte von Walter Seidl

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