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Michael Kienzer - grau und farbig: Locker gesetzt, diszipliniert geschichtet

In „grau und farbig“ stellt Michael Kienzer in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Wien neueste Arbeiten aus. Wie der Titel andeutet, liegt die Konzentration auf der Farbigkeit, ohne grau als Farbe auszuschließen. Eine präzise und locker gesetzte Palette an Bunttönen tut sich an Stelle der gewohnt puristischen Materialästhetik Michael Kienzers auf.

Auch dem Gestischen schenkt der Künstler wieder vermehrt Aufmerksamkeit. In der imposanten Wandarbeit „Weiss auf Weiss“ besetzen Schleifen aus lackiertem Zinkblech als große Geste die Wand wie ein spontaner Wurf. Der Eindruck scheinbarer Beiläufigkeit, des spielerisch Momentanen und Vorübergehenden, ein Charakteristikum im Werk Kienzers, findet sich unwillkürlich ein, bewegt in seidenmatten Falten ähnlich einer Draperie. Distanzierter gibt sich „Weiss geschichtet“, Malereien in weißer Dispersionsfarbe auf Glas, zurückhaltender zeigt sich hier der charakteristische Pinselstrich, die Teile von „Weiss geschichtet“ gleichen einer Haut der weißen Galeriewand.

In barocker Fülle quillt in der Wandskulptur „Graues Verhältnis“ die Handschrift des Künstlers nach vorne. Verschiedene Materialien, Eisen- und Zinkblech und Stahlgewebe bauschen sich verschlugen aneinander und formatieren sich zu einem willkürlich wirkenden aufgewühlten, sinnlichen Arrangement, das vieldeutig diverse Assoziationen weckt.

„Schacht horizontal“, gebaut aus straff gestapelten Betonziegeln und Gitterrosten, gleicht einem Auswuchs der Architektur, der sich auftürmend in den Raum schiebt und gegen die große Fensterscheibe nach außen drängt, mit der vorhandenen Bodenöffnung und deren Gitter korrespondiert und so eine transzendente Verbindung herstellt mit dem Unten, dem Innen und dem Außen der Galerie.

Die monumentale Installation wird an der Wand von „Ohne Titel“ begleitet: eine Bremsscheibe hält über jeweils einen Magneten eine Gewindestange über sich und ein Rohr unter sich in der Waagrechten und vollführt darin einen Balanceakt – wie ein humorvoller Kommentar zur strengen blockhaften Gesetztheit von „Schacht horizontal“. Ähnlich ironisch könnte man „Metal Poem Vol 9“ betrachten. Verschiedene industriell gefertigte Metallgitter sind in einer ziemlich disziplinierten Komposition übereinander geschichtet: eine hintergründige Anspielung auf das herkömmliche Tafelbild. Es erinnert sogar an die Gliederung eines Flügelaltars, allein ein Reif unterwandert die Symmetrie und bringt aufmüpfig Bewegung ins Spiel, was wieder das Momenthafte betont und die Dimension der Zeit involviert.

Eine neue skulpturale Serie füllt den Hauptraum der Galerie: „Flyer“, die nur nach ihren Farbtönen betitelt sind. Bis zu vier Blechpaneele bündeln sich zu einem Werk, sie werden über Magnete an ihren Stangen in Balance gehalten und tänzeln als monochrome Farbflächen durch den Raum. Sich flatterhaft gruppierend vermitteln sie in ihrer verbeulten Unbekümmertheit spielerische Heiterkeit. Doch ist ihre bezaubernde Fragilität doppelbödig, ambivalent und nicht ungefährlich angesichts ihrer Scharfkantigkeit. Es ist ein theatralischer Auftritt plastischer Malerei, die locker im Raum gestreut skulpturale Dimension entfaltet und eine an sich prekäre Situation in vielfarbiger Leichtigkeit auflöst. Der herben konkreten Poesie des „Schacht horizontal“ setzen sie eine lyrische gegenüber.

Wir begegnen in dieser aktuellen Schau Michael Kienzers sehr eigensinnigen Werken, die ungewöhnlichen Charme in diversesten Schattierungen präsentieren: fast wie schmeichelnd in „Weiss auf Weiss“, spröde beim „Schacht horizontal“, kokett bei den „Flyern“, ironisch bei „Metal Poem Vol 9“ und wunderbar vorwitzig bei „Ohne Titel“.

Es ist eine skulpturale Vielfalt, entstanden aus disparaten Teilen, ein Gefüge, das unterschwellige Beiläufigkeit mit Souveränität vereint und zur präzisen Setzung führt. Eine betörende Selbstverständlichkeit weht über dem gesamten Arrangement. Das Fragmentarische erscheint mit seiner subversiven Vorläufigkeit als eine Möglichkeitsform dinglichen Daseins, das Raum lässt für den Betrachter zu sinnlich-geistiger Beweglichkeit.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Michael Kienzer - grau und farbig
08.06 - 08.09.2018

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
1010 Wien, Seilerstätte 7
Tel: + 43 1 512 08 40
Email: galerie@galeriethoman.com
http://www.galeriethoman.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 11-15 h


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