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Marterl statt Lassnig

Man sollte nicht allzu sehr vergangenen Zeiten nachhängen. Denn schließlich verzerrt sich oft das Bild, im Rückblick erscheinen die Dinge oft positiver, als sie tatsächlich waren.

Doch unlängst las ich im „Standard“ ein Interview mit Christian Benger, noch Kulturlandesrat der ÖVP in Kärnten. In dem Gespräch, das eher nach einem Drehbuch für ein absurdes Theaterstück klingt, fürchtete sich Herr Benger davor, dass „andere Kulturen übernehmen“. Die „westliche, christlich geprägte Kultur“ liege ihm am Herzen, mitsamt Marterln, Kreuzen in den Schulen und dem Gipfelkreuz, erklärte er. Sein Herz, sagte er, schlage für die „Volkskultur“. Und er war ganz stolz darauf, Diskussionen über Rechte für die Kärntner Slowenen „im Keim erstickt“ zu haben.

Wie hinterwäldlerisch muss jemand sein, um Gipfelkreuze als ultimativen kulturellen Ausdruck zu feiern? Kärnten brachte Maria Lassnig, Ingeborg Bachmann und Martin Kušej hervor, es gibt eine Menge ambitionierter Kulturschaffender im Land, doch was ist wichtig? Die Marterl. Welchen Grad an Verbohrtheit benötigt es, nicht die sprachliche und kulturelle Vielfalt im Land zu feiern, sondern stattdessen den Slowenen Rechte vorzuenthalten?

Da erinnert man sich mit Wehmut an schwarze Kulturpolitiker wie Peter Marboe, der in den 1990er-Jahren das Denkmal von Rachel Whiteread am Judenplatz in Wien gegen alle Widerstände durchsetzte, später Christoph Schlingensief mit seiner einzigartigen Festwochen-Aktion „Bitte liebt Österreich“ die Mauer machte. Oder Hanns Koren, der in Graz den steirischen herbst initiierte. All das wirkt bis heute nach – und erscheint unfassbar modern im Vergleich zu den Vorstellungen dieses Kulturlandesrates im Jahr 2018.

Es bleibt nur zu hoffen, dass Benger sein Amt entzogen wird, jetzt, wo in Kärnten die Wahlen geschlagen sind. Die dortige Kulturszene hat sich wahrlich Besseres verdient als diese dumpfe Heimattümelei. Und wahrscheinlich ist der Blick in die Vergangenheit in diesem Fall doch nicht so verklärt.

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Abbildung: Maria Lassnig, Gastein, 1986, Aquarell auf Papier, 47 x 64 cm, Foto: Ferdinand Neumüller, Sammlung STRABAG Kunstforum

Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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