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Aernout Mik - A swarm of two: Nachtschwärmer

Zwei Polizisten streifen durch die spärlich beleuchteten Straßen einer verlassenen Fußgängerzone. Ihre Bewegungen scheinen verlangsamt, schleifend, als müssten sie ihre Körper gegen die Schwerkraft voran schleppen. Ihre Uniformen, die sie gegen das düstere Außen panzern, verweisen auf eine größere Ordnung - das Versprechen innerer Sicherheit gegen die diffusen, äußeren Bedrohungen, die gewitterschwer über dem verwaisten, öffentlichen Raum hängen.

Die Menschen in Aernout Miks Videoarbeiten sind ihren Umgebungen ausgeliefert: Banker, die lethargisch inmitten eines stillen Chaos’ aus Papierfetzen verharren, Religiöse Prediger zwischen Kommerz und Erlösung, umschwärmt von hunderten Anhängern, Angestellte in weißen Kitteln, die auf Planken durch schlammüberflutete Discount Apotheken balancieren. Sie sind weniger Subjekte als Koordinaten, bewegte Parameter einer Simulation. Sie navigieren durch die dystopischen Welten, die der niederländische Künstler irgendwo zwischen völliger Desorientierung und Struktur, zwischen Chaos und Ordnung ansiedelt.

Die 2-Kanal Videoinstallation, die noch bis Anfang März bei Carlier Gebauer zu sehen ist, verzichtet, wie viele von Miks Arbeiten, vollständig auf Sound. Die Stille beherrscht den Raum und zwingt den Betrachter dazu, seine Konzentration völlig auf die sichtbaren Veränderungen und Gesten, die leisen Verschiebungen der Bewegungsabläufe, der Intensität der körperlichen Interaktion, zu richten. Auf den ersten Blick erscheint das Sujet bekannt, vermummte Polizisten, die in Uniformierung als solche erkennbar sind, schwer bewaffnet auf Streife. Lässt man ein paar Sekunden vergehen, wird schnell eine eigenartige Differenz erkennbar. Die Körper bewegen sich absonderlich, schleifen über den Boden, ist es ein Tanz, eine Choreographie? Die Schwarmordnung hat die Kontrolle übernommen. Das uniformierte Pärchen gleitet entrückt, abwesend die Straße entlang. Einer der Körper versteift sich auf einmal, sinkt zu Boden. Der andere Körper windet sich um ihn, schiebt ihn zur Seite, als befänden sich die beiden im Kriegsgebiet, in dem ein verwundeter Körper schnellstmöglich in Sicherheit gebracht werden muss. Doch dieser Körper wurde nicht verwundet, es scheint, als läge eine Dysfunktion vor. Ein Kurzschluss in den größeren Verschaltungen der Konsumerfiktion. Eine Übersteuerung mündet in die nächste, zwischen Unbeholfenheit und Gewalt verbeißt sich ein Körper in den Anderen, sie stolpern übereinander hinweg, zwängen sich an Wänden entlang, schieben sich unter eine verwaiste Mülltonne. Sie agieren Gesten aus, die Relikte eines Auftrags, eines Sinns, einer Organisation sein könnten, irgendwo im Dazwischen von Dokumentation und Fiktion.

Die Figuren in A swarm of two werden zu Illustrationen des Versprechens sozialer Ordnung, durchtränkt von düsteren Bedrohungen, die scheinen, als würden sie von den Figuren selbst hervor gebracht, viel eher als durch das propagierte Außen. Aernout Mik zeichnet sie als isolierte Gliederpuppen, alleine gelassen mit ihrem Auftrag, der vielleicht längst obsolet geworden ist. Er setzt den Betrachter damit einer überwältigenden Orientierungsloskeit aus, die durch die riesigen Screens, die die Leere des Raums überstrahlen, noch verstärkt wird.

Um ein weiteres schafft Aernout Mik mit seinen erprobten visuellen Strategien, eine ganz neue Szenerie von beeindruckendem Potential, deren Sogkraft man sich nur schwer entziehen kann.

Aernout Mik at carlier | gebauer on Vimeo.

Mehr Texte von Anna Gien

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Aernout Mik - A swarm of two
27.01 - 03.03.2018

Carlier | Gebauer
10969 Berlin, Markgrafenstrasse 67
Tel: +49 30 240 08 63 0, Fax: +49 30 240 08 63 33
Email: mail@carliergebauer.com
http://www.carliergebauer.com


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