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Bruno Gironcoli - In der Arbeit schüchtern bleiben: The importance of being Murphy

Das Werk von Bruno Gironcoli ist vor allem in seinen monumentalen plastischen Dimensionen, wie er sie seit den 80er Jahren realisierte, bekannt. Nunmehr ist im mumok seine Arbeit auf Papier in den Fokus gerückt und fächert das geläufige Oeuvre durchaus ergänzend und beeindruckend auf. Rund um eine sinnig getroffene Auswahl seiner markanten Skulpturen, die seinen Werdegang von den 60er Jahren über die seltener ausgestellten Rauminstallationen der 70er Jahre bis zu jenen fremdartigen Aluminiumgüssen des Spätwerks markiert, sind etwa 300 graphische Arbeiten gruppiert. In den feinfühlig positionierten Zusammenstellungen und bedeutsamen Perspektiven vermittelt die Kuratorin Manuela Ammer sehr eindringlich das vielschichtige Gefüge von Gironcolis Werk.
Jener kompromisslos widerständige Weg, den Gironcoli in der Bildhauerei verfolgte, spiegelt sich in ebenso eindrucksvoller Intensität in den zahlreichen Gouachen, mit welchen er sein plastisches Werk konsequent begleitete.

Deutlich zeichnet sich ein prekäres Weltbild ab, eine zutiefst menschliche Daseinsform, die einerseits eingeengt in einer postfaschistischen, konsumorientierten und zunehmend rationalisierten Gesellschaft ihre Existenz behauptet, die aber andererseits auch von sehr individuellen Trieben und Bedürfnissen bestimmt ist. Diese Disposition artikuliert sich zwar in der Andeutung von unbehaglichen Phantasmen und bedrohlichen Szenerien, doch genauso in humorvollen Gesten. Eine herzhafte Heiterkeit vermittelt etwa der Stimmungsmacher (1965-69): eine mannshohe bronzefarbige Skulptur, deren Gestalt deutlich auf eine phallische Form reduziert ist und derart auf einem Punkt gelagert ist, dass sie auf ein Antippen wie ein Stehaufmännchen reagiert. Diese einnehmende Leichtigkeit weicht zunehmend einem tiefschürfenden Diskurs, in dem sensitiver Humor, Ironie oder Selbstironie subversiv in der Irrationalität der rätselhaften Narration präsent ist.

In den späten 60er Jahren fand Gironcoli zur Figur des Murphy, der fortan in seinem Werk in differenzierten Formulierungen und Konstellationen auftritt: Eine ruhende menschliche Gestalt ist radikal auf eine elementare Form zurückgeführt, archaisch anmutend und einem Sarkophag ähnelnd. Murphy ist explizit an die literarische Figur Samuel Becketts angelehnt, er wird in Gironcolis Werk zu einem zentralen Motiv, welches das eigene Ich, wie auch eine exemplarische Befindlichkeit des Menschseins an sich, in einer befremdlichen, wenn nicht feindlichen Welt gleichermaßen einschließt. Das Wesen Murphy, dessen monolithische Existenz gänzlich in die Totalität des eigenen Seins versunken ist, den Gironcoli gerne in seiner eigenen Vitrine isoliert, birgt trotz seiner Tragik in seiner Absurdität eine unterschwellige und auch selbstkritische Komik.

In den raumgreifenden Installationen begegnet man einem vielschichtigen Kontext, Sexualität als Lust und Trieb sind in einem irritierenden mehrdeutigen System verflochten, das schmerzliche Momente in einer performativen Disharmonie aneinanderbindet. Die vielteilige Figur mit weißen Lilien (1986/2007) kündigt Gironcolis Rückkehr zur autonomen Skulptur an, ein elektrisches Kabel und eine vereinende Messingwanne verbindet die einzelnen Elemente zur großen Figur.

Solche und ähnliche skulpturale Szenarien werden in den Papierarbeiten in irrationalen Überlegungen interpretiert und animiert und in metallenen und farbigen Flächen ausgebreitet. Diese Graphiken führen ein autonomes Eigenleben, selbst bühnenhafte Schauplätze mit spröder Ikonographie. Oft sind es „elektrifizierte“ Situationen, schablonenhaft bevölkert mit den Motiven von Pavianen, kopulierenden Hunden und einem kauernden Mann im blauen Anzug. Letzterer ist ein seltsam unbeteiligter Akteur, Teil der unerklärlichen Erzählung und doch außenstehend. Gironcoli selbst bezeichnete ihn mitunter als Robert oder Murphy, doch identifizierte er sich in einem gewissen Maße vielleicht auch selbst mit ihm, denn die Gestalt altert mit der Entwicklung des Werks.

Die Gouachen scheinen wieder unentrinnbare gesellschaftliche Zustände zu beschwören, bedrohlich und schmerzhaft gegenüber der grundsätzlichen Existenz. Doch unterläuft die Irrationalität des Gedankenspiels die Drastik des Dargestellten, mitunter nutzt Gironcoli die triviale Erzählungsweise des Comics; sein eigentümlich subversiver Humor kippt das gequälte Geschehen in eine irritierende und schillernde Ambivalenz. Denn nicht zuletzt sind die formalen Setzungen von einer ausgeprägten Ästhetik, vielleicht ein Versuch der Versöhnung. Mit den 80er Jahren steigert Gironcoli das Format der Papierarbeiten und mit ihm die Intensität des malerischen Duktus. Die Lesbarkeit schwindet, emphatisch scheinen der Glanz der Flächen in Metallpigmenten und die Unbändigkeit des farbigen Gestus an Bedeutung zu gewinnen, lustvoll tritt uns Gironcolis malerisches Potenzial in den Phantasmen der enormen Graphiken gegenüber. In den eigenhändig gefertigten Rahmungen holt der Bildhauer die kaum mehr lesbaren Bildnisse ins Objekthafte zurück – und mit einer überzeugenden Selbstverständlichkeit gruppierte sie die Kuratorin um seine utopischen Skulpturen.

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Zeitgleich präsentieren Wiener Galerien sehenswerte Ausstellungen mit Werken Bruno Gironcolis: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman (galeriethoman.com, bis 26. Mai), Galerie Krinzinger (galerie-krinzinger.at, bis 10. März) und Galerie bei der Albertina Zetter (www.galerie-albertina.at , bis 3. März).

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Bruno Gironcoli - In der Arbeit schüchtern bleiben
03.02 - 27.05.2018

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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