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From Sea to Dawn - Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian: In der Wunderkammer des Politischen

Bilder, die provozieren können, sind das. Nicht wegen der Inhalte, nicht weil sie etwas berühren, das in die Nähe, dessen angesiedelt ist, was gemeinhin mit »Skandal« umschrieben wird. Nein, viele dieser Werke wirken so komisch, seltsam, trivial, stellenweise so, als wären sie mit eigenartigen dekorativen Elementen ausgestattet worden, die in das Phantastische übergehen. Speziell in einem Videofilm und in Arbeiten auf Papier, die nicht hängen, sondern auf mehreren – wie in einer kleinen Schulklasse angeordneten – Tischen zum Betrachten aufliegen.

»Provozierend« kann hier die Erinnerung daran bedeuten, dass man es angesichts dieser Kunst mit Arbeit zu tun bekommt. Denn vieles irritiert, lässt sich nicht auf Anhieb entschlüsseln, weil es nicht in unserem euro-amerikanisch geprägten Zeichenrepertoire der Moderne und danach situiert ist. Es ist nicht dieses Vokabular, das uns nur allzu geläufig erscheint. Das kommt selten vor, ist man doch gewöhnlich ziemlich abgebrüht, was die Konfrontation mit Neuem betrifft.

Interessant, aber doch eigenartig: diese kindlich wirkenden Übermalungen. Jedenfalls, wenn man sich die ursprünglichen Hauptmotive, die im Mittelpunkt standen, vergegenwärtigt. Es sind zumeist Aufnahmen von Flüchtlingen mit grell orangen Schwimmwesten in Booten oder solchen die in Reihen marschierend am Festland in Richtung ungewiss aufbrechen.

Jedoch verändern sich – in einem Video beispielsweise – die Köpfe ins Phantastische; zu in die Höhe wuchernden Mützen. Hypnose-Spiralkreise rotieren. Überhaupt wirkt das Video manchmal sehr halluzinatorisch. Marschierende Flüchtlinge in einer phantastischen Welt angekommen.

Eine Künstlergruppe aus Teheran, die sich weigert, typisch europäische Erzählweisen anzunehmen, erklärt Ramin Haerizadeh, und eingeschliffene Narrative subversiv unterlaufen möchte. Berthold Brecht ist eine Referenz. Dessen Auffassung von der Technik der »Verfremdung« am Theater. So öffnet sich auf einmal ein Weg in die bunte Formenvielfalt von Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian. Offenbar ist doch ein zutiefst europäischer Begriff hilfreich, um eine Brücke zu bauen.

Seit 2009 arbeiten die drei als Gruppe zusammen und wurden durch große Ausstellungen in Mexico City und in Barcelona, am MACBA, die durch ihre Farbenpracht bestachen, bekannt. Aus Teheran wegen der nach wie vor schwierigen Bedingungen für zeitgenössische Kunst gingen sie weg ins Exil nach Dubai. Was spielerisch, ja, fast verspielt wirkt in ihren Werken, ist letztlich genaues Konzept. Wie schwer das auch ist, innerhalb eines Kunstbetriebs, wo doch schon alle Spiele gespielt wurden, wollen sie etablierte Konventionen unterlaufen und alternative visuelle Optionen anbieten.

Hier ist das verbunden mit einer aufwendigen Interventionen: Es wurde ein Holzboden und rundherum seitliche Wandelemente – nicht viel höher als ein großer Videobildschirm – eingebaut und mit feurigen organisch ornamentalen Mustern bemalt. Ja, freilich, kennt man schon alles, doch hier wirkt es eben doch anders. Irritierend und letztlich sympathisch. Was wäre denn eine richtige, authentische Darstellung der Flüchtlingsströme? Wären das jene emotionalisierenden Bilder, die man aus den Medien kennt? Auffallend sei doch, dass sie 2016 sukzessive wieder verschwunden sind, merkt Ramin Haerizadeh an. »So, als hätte sich die Gesamtsituation grundlegend verändert. Verändert aber, haben sich hauptsächlich die medial transportierten Bilder; und die lokalen politischen Bedingungen in Europa.«

Eine spannende Operation. Je länger man sich damit auseinandersetzt, umso mehr kann man sich dem Phantastischen in der Kunst der drei Iraner hingeben. Sie selbst wirken wie heimatlose Weltbürger, kommen sie doch aus einem Land, wo unentwegt Einschüchterung herrscht und erst dieser Tage wieder ein Kunsthändlerpaar (Karan Vafadari and Afarin Nayssari) unter dubiosen Bedingungen verurteilt und eingesperrt wurde. Spekulationen gehen davon aus, dass der tiefer sitzende Grund in der zu guten internationalen Vernetzung der Galeristen liegen dürfte; zu viel Autonomie also. Trotz widriger Umstände in ihrem Herkunftsland wollen Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian sich nicht als Opfer darstellen. In Dubai, in der Al Barsha Street, leben die drei viel mehr in einem Haus, dem man nachsagt, Wunderkammer, Theaterbühne und Filmset in einem zu sein. Anstatt der Rolle von Dissidenten nehmen sie eher die Position kultureller Dandys ein; mit kritischem Blick auf allzu eingefahrene Sichtweisen. Ein interessantes Projekt abseits unserer visuellen Konventionen. 

Mehr Texte von Roland Schöny

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From Sea to Dawn - Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
31.01 - 10.03.2018

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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