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Keith Haring. The Alphabet: Kunst ist Kommunikation

Die universelle Bildsprache des Keith Haring

Eine Selektion herausragender Werke zeigt die Albertina bis 24. Juni unter dem Titel „Keith Haring. The Alphabeth“. Die Schau ist eine Hommage an den schon zu Lebzeiten gefeierten Pop-Art-Künstler, der innerhalb von fünfzehn Jahren eine beeindruckende Karriere hinlegte und unzählige Werke hinterließ. Dieter Buchhart, Kurator der Ausstellung, setzte den Fokus auf Harings comichafte Bildsprache. Sogar ein eigenes Symbolverzeichnis hat man ausgearbeitet und im Katalog veröffentlicht. Es soll der Decodierung seiner Werke dienen. Doch wollte Haring nicht eigentlich das Gegenteil und zwar Kunst für die breite Masse mittels einer universellen Bildsprache?

Aufgewachsen in einer 5000-Seelengemeinde in Pennsylvania wurde sein Interesse an Comics und Kunst von den Eltern früh unterstützt. Mit achtzehn ging er fürs Werbegrafikstudium an die Ivy School of Professional Art nach Pittsburgh, wo er nach zwei Semestern feststellte, dass er unabhängig von beruflichen Verpflichtungen Kunst machen wollte. Und so zog Haring nach New York und lernte an der School of Visual Arts Kenny Scharf, Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat kennen.

Während wir von Harings Frühwerk in der Albertina sehr wenig erfahren, zeigt uns ein Raum jene Arbeiten, die für die Entwicklung seiner Formensprache wohl am wichtigsten waren - die Subway Drawings. Inspiriert von der Graffiti-Kunst – wahrscheinlich war Basquiat ein wichtiger Einfluss – hinterließ er Anfang der 1980er in den New Yorker U-Bahnstationen schnelle, skizzenhafte Statements. Dazu dienten ihm die temporär unplakatierten, schwarzen Flächen, die er mit weißer Kreide bemalte. An die zehntausend dieser Zeichnungen sollen in kürzester Zeit entstanden sein. Das ist wohl keine schlechte Taktik, um sich in einer Metropole schnell einen Namen zu machen. Umso weniger verwundert es, dass er bereits 1982 seine erste Soloshow in der bis heute existierenden Tony Shafrazi Gallery hatte. Hiervon erfährt man in der Albertina zwar nichts, aber dafür widmet man der zwei Jahre später in besagter Galerie stattgefundenen Ausstellung gleich einen eigenen Raum. Von den im Schwarzlicht fluoreszierenden Werken ist auch der wenig kunstaffine Besucher hoch erfreut: Figuren, die sich bewegen, am Boden herumhüpfen, tanzen und springen, ein lachendes dreiäugiges Comicgesicht, ein Fernseher mit Füßen, aus dem die Musik schallt, und sogar der anubisartige Hund, den wir in späteren Zeichnungen wiederfinden, scheint so glücklich tanzen, als gäbe es kein Morgen. Endlich Bilder, die von der Masse verstanden werden. Eigentlich muss man sich hier in die 80er Jahre zurückversetzen, denn bei Harings Eröffnung waren DJs und Breakdancer dabei, was wiederum darauf hindeutet, wie prägend die kraftvollen U-Bahnzeichnungen für die Gestik und Körperhaltung seiner Figuren waren.

Im nächsten Raum erfahren wir über Harings abneigende Haltung zur bourgeoisen Kunst: Gefundene Gegenstände, Vinylplanen und Glasfaserskulpturen dienten ihm als Bildträger und sogar Objekte wie Möbel- und Autoteile wurden zweckentfremdet. Besonders hervorgehoben werden die bemalten Terrakotta- und Glasfaservasen, die er nach einem Besuch im Metropolitan Museum of Art gemalt haben soll. Viel interessanter scheint das konsequente Ausprobieren unterschiedlicher Bildträger, wobei die meterhohe, mit weißer Farbe bemalte Holzplatte mit Harings eigener Mickey Mouse schon beeindruckend ist. Gut, dass man die Miniatur- Pop-Art-Freiheitsstatue fürs Selfie in den Eingangsbereich gestellt hat. Aus ihrem Kontext gelöst, steht sie ohnedies etwas verloren in den Ausstellungsräumlichkeiten. Hier müsste man wissen, dass Keith Haring zwischen 1982 und 1989 mehr als fünfzig Kunstwerke im öffentlichen Raum schuf – für Kinderheime, Krankenhäuser und auch zum hundertjährigen Bestehen der New Yorker Freiheitsstatue.

Mit der ikonografischen Deutung hat man sich in der Albertina ohne Zweifel intensivst beschäftigt – der beißende und bellende Hund, das Baby mit Strahlenkranz, sogar das Mischwesen aus Engel und Delfin werden erörtert. In den Details kann man sich wunderbar verlieren. Die richtigen Inputs sind gesetzt, um als Besucher auf Rätselsuche gehen zu wollen. Auch Harings kritisches Aufzeigen und Wachrütteln der nach Konsum strebenden Gesellschaft ist in seinen Kunstwerken zweifellos vorhanden! Die von Trickfilmserien und Comics geprägte Kindheit ist anhand seiner eigenen Mickey und dem abgewandelten Schweinchen Dick nachvollziehbar. Auch das Computermonster, das den Menschen die Köpfe abgerissen hat, kann als Harings abneigende Haltung zu den wohl furchteinflößenden Fortschritten, die die Technologisierung mit sich brachte, interpretiert werden. Oder der schwarze Fuß, der auf ein weißes Männlein tritt und auf die während der Kindheit miterlebte Civil Rights Bewegung verweist.

Ob Keith Haring jedoch wirklich ein so starker Verfechter der sozialen Gerechtigkeit war oder er seine Kunst nur gekonnt als Mittel der Instrumentalisierung einsetzte, bleibt offen. Denn wie Haring selbst behauptete, wollte er die Realität nicht nachahmen, sondern in seinen Zeichnungen neues Leben schaffen. Die großflächigen „Horror vacui“-Arbeiten, wie man sie so nett in Wien betitelt hat, sind wohl einfach jene ins Museum gebrachten Arbeiten aus dem öffentlichen Raum. Denn Wände und Mauern bemalte Haring schon in jungen Jahren, vielleicht weil „Kunst (seiner Ansicht nach) die Seele befreien, die Fantasie anregen und die Menschen ermuntern (sollte) weiterzugehen.“ (nach Keith Haring, Wandtext)

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Keith Haring. The Alphabet
16.03 - 24.06.2018

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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