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Belvedere 2018: Weniger soll mehr sein

Dass ihr die Frequenz an Ausstellungen speziell im 21er Haus zu hoch erscheine, hat Stella Rollig, schon anlässlich ihrer Präsentation als neue Generaldirektorin des Belvedere im Oktober 2016 vernehmen lassen. So ist es nicht ganz verwunderlich, dass das erste, von ihr vollinhaltlich verantwortete Jahres Programm 2018, das heute im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert wurde, eine deutliche Reduktion an Ausstellungen beinhaltet.

Doch der Reihe nach: 2017 war jedenfalls das bisher erfolgreichste Jahr des Belvedere. Sowohl Besucherzahlen (bis Jahresende werden 1,4 Millionen erwartet), als auch was die Einnahmen durch Eintritte betrifft. Damit wird der Eigendeckungsgrad des Belvedere voraussichtlich auf über 60% steigen.
Geld wird das Belvedere auch benötigen, müssen doch teilweise ungeplante Ausgaben für die Infrastruktur geleistet werden. Wolfgang Bergmann, der wirtschaftliche Leiter, fuhr im Rahmen der Pressekonferenz schweres Geschütz gegen die frühere Direktorin Agnes Husslein-Arco auf: so habe man erst vor kurzem entdeckt, dass die Kälteanlagen für die Klimatisierung ohne Baugenehmigungen im Dachboden errichtet worden waren, Betriebsstättengenehmigungen bewusst nicht eingeholt und Brandschutztüren ausgebaut worden waren.

Im Ausstellungsprogramm des Unteren Belvedere setzt Stella Rollig auf die großen Namen – jähren sich doch die Todestage von Gustav Klimt und Egon Schiele kommendes Jahr zum 100. Mal. Unter dem Titel „Klimt ist nicht das Ende“ will Kurator Alexander Klee die Kunst im Raum der Donaumonarchie am Ende dieser Ära beleuchten. Danach folgt dann eine Egon Schiele-Schau, die auch Werke beinhaltet, „die je im Bestand des Belvedere waren“, so der Pressetext. Darunter auch das Bildnis Wally, das sich nach falscher Restitution bis 1954 im Belvedere befand, von Rudolf Leopold im Tauschwege erworben worden war und sich nach der Beschlagnahme 1998 in den USA nach langem Rechtsstreit und einer Abfindungszahlung an die Erben Lea Bondy-Jarays seit 2010 wieder im Leopold Museum befindet. Beide Ausstellungen werden im Unteren Belvedere gezeigt. Gleichzeitig mit Egon Schiele wird die erste große Einzelpräsentation der bolivianisch-amerikanischen Künstlerin Donna Huanca in Österreich zu sehen sein.
Im Haupthaus wird ab dem 1. März die neu strukturierte Schausammlung geöffnet. Vom Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs soll die Sammlung des Belvedere dann in Epochen gegliedert mit neuen Saaltexten und Beschreibungen zu einzelnen Werken besser vermittelt werden. Dazwischen sollen in eigenen Räumen Fragen nach der Identität sowohl des Museums als auch Österreichs behandelt werden – auch mit Werken zeitgenössischer Kunst. Zusätzlich werden im Erdgeschoß drei Räume zur Geschichte des Museums, des Hauses und Prinz Eugens eingerichtet. Unter dem Überbegriff „Carlone Contemporary“ werden sich im Carlone-Saal zweimal jährlich zeitgenössische Positionen mit der barocken Bildwelt auseinandersetzen. 2018 sind das die in Österreich selten gezeigte Künstlerin Ines Doujak und der in Berlin lebende Peruaner David Zink Yi.

Das 21er Haus im Schweizergarten wird ebenfalls umstrukturiert - sowohl was das Ausstellungsprogramm, als auch die räumliche Situation betrifft. Erstes sichtbares Zeichen wird die Umbenennung in „Belvedere 21“ sein. Waren unter Agnes Husslein-Arco im Jahr 2016 noch 19 Präsentationen im 21er Haus zu sehen, im Jahr 2017 derer 11, so werden 2018 nur noch sieben Ausstellungen gezeigt. Von Februar bis August ist Günter Brus eine Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag gewidmet. Die zweite große Ausstellung zeigt Werke der Britin Rachel Whiteread, deren Holocuast-Mahnmal seit dem Jahr 2000 auf dem Wiener Judenplatz steht. Im September wird für die Ausstellung der amerikanischen Künstlerin Polly Apfelbaum das Obergeschoß des 21er Hauses von den Einbauten befreit und der ursprüngliche offene Raum des Weltausstellungs-Pavillons wieder hergestellt. Die Ausstellung „Der Wert der Freiheit“ thematisiert gesellschaftliche Fragen nach Verantwortung und Gemeinwohl und will so auch das von Stella Rollig für 2018 ausgerufene Motto des „Spirit of 68“ reflektieren. Drei kleinere Präsentationen im Untergeschoß - Anna Witt, Alexander Kluge und Werner Feiersinger – komplettieren das Ausstellungsprogramm.

Ob das reichen wird, das Haus im Schweizergarten mit genügend Publikum zu versorgen, wird man sehen. Leider werden nach der Ausstellung Polly Apfelbaums die Einbauten im Obergeschoß nicht wieder hergestellt werden, wodurch der Raum für die Präsentation der zeitgenössischen Sammlung verloren geht. Laut Stella Rollig sei das aber nicht weiter tragisch, weise die Sammlung doch große Lücken auf. Dafür wird für das Belvedere 21 die neue Stelle einer Kuratorin für „Community Outreach“ geschaffen, um die BewohnerInnen des großteils neu entstandenen benachbarten Sonnwendviertels besser an das Haus zu binden. Jedenfalls erscheint die Dynamik des Belvedere 21 zugunsten einer Musealisierung deutlich gebremst. Zusätzlich kommen der „Österreichischen Galerie Belvedere“ Präsentationsflächen für die zeitgenössische Sammlung abhanden. Und nicht zuletzt erscheint eine jüngere Künstlergeneration, die in den vergangenen Jahren sowohl in (kleineren) Einzelpräsentationen als auch Ausstellungsprojekten repräsentiert war, wieder zurückgedrängt.
In der Kunst ist das Weglassen oft der Schlüssel zu einem gelungenen Werk. Ob das für ein Museum ebenso gelten kann, muss Stella Rollig nun mit ihrem Programm beweisen.

www.belvedere.at

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Abbildungen:
Oberes Belvedere, Südseite, © Belvedere, Wien
Aussenansicht 21er Haus, © Gerald Zugmann / www.zugmann.com

 

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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