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Sammlung Beyeler / Cooperations: In der Wunderkammer der Moderne

Es ist einfach großartig, wenn sich eine Ausstellung in dieser Weise ihrem Publikum öffnet; wenn die einzelnen Werke wie Statements wirken und deren auratische Kraft im Moment einer seltsamen Idiosynkrasie scheinbar absolut erstrahlt. Natürlich, eine gar so ungewöhnlich fremde Erfahrung ist die Konfrontation mit der fesselnden Stärke von Gerhard Richters Gemälden nicht. Hier aber gibt es wieder die Möglichkeit einer solchen Begegnung. Das Landschaftsbild »Vierwaldstätter See« (1969) – in einem grau wie der spätere RAF-Zyklus – zieht einen in seinen Bann wie Caspar David Friedrich.

An mehreren Stellen bieten sich solche Erlebnisse: Daher fällt auf, wie oft etwa die abstrakten Farbkompositionen des Morris Louis – in anderen Museen einfach an einem vorbeiziehen, als handle es sich bloß um beliebige Sammlungsstücke. Diese Ausstellung hingegen setzt einen Kontrast zum häufigen Einerlei der Präsentationen vieler Museen Moderner Kunst. Deshalb wirkt das Werk »Gamma« (1960) des großen amerikanischen Klassikers, als hätte es genügt, wenn überhaupt nur dieses eine Bild das Atelier des Künstlers verlassen hätte.

Wo sich die Ausstellung dann der Gegenwart annähert, lässt einen »Pelican (STAG)« von Peter Doig innehalten. Wie so oft bei Doig ist es ein Szenario in einer Tropenlandschaft in einem flattrigen Stil zwischen Comic und Fotorealismus. Würde man jetzt auch noch die blaufärbigen Abdrücke von Frauenkörpern, auf Blättern aus Yves Kleins berühmter Aktion aus dem Jahr 1960 erwähnen, oder die mit roten Wasserfarben und Filzstift gemalte Serie »The Hours oft the Day« (2006) von Louise Bourgeois, die Namen Sam Francis, Sigmar Polke oder Roy Lichtenstein ins Treffen führen und vielleicht auch noch auf die Beobachtung hinweisen, dass Andy Warhols Totenkopfbild »Skull« (1976 – 77) mit einem tatsächlichem Totenkopf aus dem 18. Jahrhundert in einem Wunderkammer-ähnlichem Sammlungsbereich korreliert, dann wäre so nach und nach vermittelt, um welch elitäres Projekt es sich hier eigentlich handelt.

Es ist so: Diese Ausstellung versucht aus dem Kanon der nur allzu bekannten Golden Greats der Nachkriegsmoderne – und danach – ganz außergewöhnliche Highlights zu bringen. Um diese in ein adäquates Display zu setzen, war neben den beiden Kuratoren Sam Keller und Ulf Küster auch noch ein Team involviert, das die Feinheiten der Szenografie adjustierte.

Dabei handelt es sich nämlich um das dritte und finale Projekt zum zwanzigsten Geburtstag der Fondation Beyeler. Es versteht sich als Feier der langjährigen Kooperation des Museums mit Privatsammlungen sowie KünstlerInnen und Nachlässen. Außerdem impliziert es eine utopische Dimension, weil »Cooperations« – wie viele solche Ausstellungen – beispielhaft vorführen möchte, wie die Sammlung der Fondation durch Schenkungen oder langfristige Leihgaben erweitert und verdichtet werden möchte. Zum wunderbaren Gebäude von Renzo Piano – am Rande der Kunststadt Basel eine Ikone der Moderne – ist nun ein weiterer Bau von Peter Zumthor auf dem Grund des bisher privaten Iselin-Weber-Parks vorgesehen (Siehe dazu die --> artmagazine Kurzmeldung).

Aber lässt sich Kunst heute überhaupt noch so rezipieren? Auch diese Frage stellt sich bei all der aufkommenden Faszination. Wurde das Fundament dieses Kanons der Moderne nicht längst hinterfragt als kulturelle Achsenpolitik zwischen Paris, Düsseldorf und New York? Kamen nicht ausgerechnet jene Positionen der Avantgarde, welche der theoretische Begleiter der amerikanischen Moderne Clement Greenberg favorisiert hat, auch dem CIA der McCarthy Ära wegen derer scheinbar abstrakten Inhaltslosigkeit entgegen? Vor dem Hintergrund eines diskursiven Feldes, das als Postkolonialismus umschrieben wird, wissen wir zumindest, dass der White Cube keine neutrale, sondern eine ideologische Konstruktion ist. Ebenso, wie die Aktion von Yves Klein mit Frauenkörpern in der Bebop Ära eine ziemliche Macho-Geste war.

Sam Keller, der bald sein 10 jähriges Jubiläum als Direktor der Fondation Beyeler feiern kann und mit Künstlern wie dem algerisch-französischen Kader Attia befreundet ist, kommentiert den allgemeinen Blickwechsel mit Rückbezug auf den von Hildy und Ernst Beyeler begründeten Sammlungskern des Hauses. Davon ausgehend versuche man, Projekte plausibel weiter zu entwickeln und – besonders in dieser Ausstellung – Verbindungslinien im Sinne der Beyelers als Gründer der Stiftung zu ziehen. Als verhältnismäßig schlanke Institution mit enormer Vernetzung könne die Fondation sich in einem der europaweit meistverdichteten Standorte von Sammlungen umgekehrt den Luxus von Ausstellungen leisten, die weitaus weniger auf eigene Bestände oder sonstige Vorgaben Rücksicht nehmen müssen, als öffentliche Institutionen.

So ergab sich diesmal durch die temporäre Vereinigung von Sammlungsstücken und selten zu sehenden Werken privater Leihgeber sowie durch die Integration kunsthistorischer Objekte aus dem Bestand der Beyelers eine einzigartige Steigerung. Überraschend wäre, wenn nicht auch diese Ausstellung dazu angetan wäre, die Signifikanz der Fondation Beyeler noch weiter zu erhöhen.

Mehr Texte von Roland Schöny

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Sammlung Beyeler / Cooperations
18.10.2017 - 01.01.2018

Fondation Beyeler
4125 Riehen / Basel, Baselstrasse 101
Tel: +41 - (0)61 - 645 97 00, Fax: +41 - (0)61 - 645 97 19
Email: fondation@beyeler.com
http://www.beyeler.com
Öffnungszeiten: Mo-So 10-18, Mi 10-200 h


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