Prometheus Unbound: Bilder gegen den Eurozentrismus
Das Konzept der intelligenten Ausstellung benennt bereits der Titel: Für den italienischen Kurator Luigi Fassi steht der Mythos des „Prometheus Unbound“ für ein „zweckrationales Projekt, mit dem die vermeintliche Überlegenheit der westlichen Kultur legitimiert und die europäische Moderne als Schlusspunkt der menschlichen Evolution behauptet wurde“. Die Ausstellung nun hinterfragt mit Arbeiten von sechs künstlerischen Positionen diese eurozentristische Vorstellung kritisch und nachhaltig. Spannend ist dabei dann vor allem, wie in den meisten der Arbeiten alternative Formen des Dokumentarischen entwickelt werden.
Da ist z. B. Jonathas De Andrades Installation „Eu, Mestico (Me, a Mestizo), 2017, in dem der Künstler Fotos von Bewohnern des nördlichen Brasiliens mit wörtlichen Auszügen einer UNESCO-Studie kombiniert, die 1953 untersuchen wollte, welche Rassenvorurteile damals in Brasilien herrschten. Jonathas De Andrades Installation zeigt eindrucksvoll, dass diese diskriminierenden Vorurteile bis heute in der Brasilianischen Gesellschaft vorhanden sind - und ganz bestimmt nicht nur dort.
Yervant Gianikian/Angela Ricci Lucchi sind mit einer Videoinstallation ihrer „Electronic Fragments“, 2002 – 2017, in der Ausstellung vertreten. Bei den „Electronic Fragments“ handelt es sich um künstlerisch bearbeitete Amateur- und Dokumentarfilme, die von der durch anhaltender Vertreibung geprägte Geschichte der Roma und anderer vermeintlich „randständiger“ Volksgruppen berichten. Das eurozentrische „historische Gedächtnis“ wird so von Gianikian/Lucchi mit Bildern von Elend und Unterdrückung konfrontiert, die da sonst üblicherweise nur all zu gerne ausgeblendet werden.
Die sicherlich stärkste Arbeit in „Prometheus Unbound“ ist eine weitere Videoinstallation, nämlich Clemens von Wedemeyers Arbeit „POV“, 2016. Wedemeyer nutzte für diese Installation das dokumentarische Filmmaterial des deutschen Rittmeisters Freiherr von Vietinghoff-Rietsch, der 1938 bis 1942 hinter den Fronten des Zweiten Weltkrieges filmte. Dieses Material unterzieht der Künstler einer medienkritischen, aber auch ethischen und politischen Reflexion. Dazu verfremdet er dieses, durchaus auch im Sinne Bertolt Brechts, in unterschiedlicher Weise: So wird es z. B. in neuen Konstellationen montiert, um kritische Sinnzusammenhänge zu generieren, eine Szene wird als Computerspiel rekonstruiert, einzelne Aufnahmen laufen in deutlich höherer Geschwindigkeit oder das Material wird kommentiert von einem Gespräch zwischen dem Künstler, dem Schriftsteller Klaus Theweleit und dem Kurator Marius Babias. Dank dieser künstlerischen Transformationen gelingt es Clemens von Wedemeyer hier, das Medium Film vor allem mit seinen eigenen Mitteln ideologiekritisch zu hinterfragen – somit ist „POV“, der Titel steht kurz für „Point of View“, nicht nur eine überaus notwendige Arbeit, sondern sie ist auch typisch für die ästhetische Strategie dieser bemerkenswerten Ausstellung.
24.09 - 03.12.2017
Neue Galerie Graz
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